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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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ist draußen?«, fragte eine Frauenstimme.
    »Ich, Ernst Rickinger«, begann Ernst und wurde sofort unterbrochen.
    »Dachte ich es mir doch. Am liebsten würde ich dich vor dem Tor stehen lassen. Etwas Besseres hast du nicht verdient!«
    »Veva!« Ernst fiel ein Felsblock vom Herzen. »Bitte, lass mich ein. Ich kann dir alles erklären!«
    »Behalte deine Lügen für dich. Ich will sie nicht hören!« Es klang so böse, dass Ernst befürchtete, Veva würde ihn tatsächlich nicht einlassen. Dann aber schwang die Tür auf, und er sah seine Frau vor sich. In der Linken hielt sie eine Laterne und leuchtete ihn an. Ihre Augen blitzten vor Zorn, und ihr Gesicht zeigte einen Ausdruck höchster Verachtung.
    Veva hätte ihrem Mann am liebsten ins Gesicht geschrien, was sie von seinem Benehmen hielt. Den gestrigen Tag war er überhaupt nicht nach Hause gekommen, und heute war die Mitternachtsstunde auch schon vorüber. Doch sie wollte den anderen Bewohnern der kleinen Siedlung nicht das Bild einer keifenden Ehefrau bieten. Stumm ließ sie Ernst eintreten, schloss das Tor wieder zu und brachte den Schlüssel zurück in die Pförtnerstube. Der Pförtner war längst zu Bett gegangen und hatte die Wachstube nur offen gelassen, weil sie ihn darum gebeten hatte.
    Warum hat Gott nur solche Wesen wie Männer erschaffen, dachte sie, während sie schweigend neben Ernst zu ihrem Häuschen ging. Männer schienen nicht zu begreifen, dass man sich Sorgen um sie machte. Am Vortag war sie schon fast so weit gewesen, Fuggers Haus aufzusuchen und nach Ernst zu fragen, und an diesem Abend hatte sie vor Angst um ihn nicht schlafen können. Sie hatte weniger befürchtet, ihm sei etwas geschehen, sondern sich Sorgen gemacht, er verbringe die Nächte bei losen Weibern und Wein.
    Erst jetzt bemerkte sie, wie abgehetzt und schuldbewusst er aussah. Er wusste anscheinend selbst, wie schlecht er sie behandelt hatte. Leise schnaubend hob sie den Kopf noch höher, um ihm ihre Abscheu deutlich zu zeigen.
    Im Haus zündete sie eine Kerze an und blies das Unschlittlicht der Laterne aus. Sie ärgerte sich selbst, weil sie auf das Geräusch hin, das sie vernommen hatte, zum Tor gelaufen war. Das war Ernst nicht wert. Ihr Herz sank bei dem Gedanken, dass ihre Ehe genauso schlecht begonnen hatte, wie sie es sich in ihren unerfreulichsten Vorstellungen ausgemalt hatte. An und für sich sogar noch schlimmer! Nie hätte sie erwartet, dass ihr Mann sie gleich zu Beginn so demütigen würde, indem er sich zwei volle Tage in der Stadt herumtrieb und ihr nicht einmal eine Nachricht schickte.
    Ohne ein weiteres Wort verließ sie die Küche, ging ins Schlafzimmer und tastete bis zum Bett. Ich hätte die Kerze mitnehmen und Ernst im Dunklen lassen sollen, fuhr es ihr durch den Kopf, als sie sich das Schienbein am Bettkasten stieß. Mit einer wütenden Bewegung zog sie ihr Kleid aus, knüllte es zusammen und warf es in eine Ecke. Danach legte sie sich so ins Bett, dass sie fast auf der Kante lag. Näher bei ihrem Mann wollte sie in dieser Nacht nicht schlafen.
    Unterdessen spülte Ernst sich in der Küche den Mund aus und machte sich zum Bettgehen fertig. Hoffentlich gelingt es Doktor Luther zu entkommen, dachte er, als er den Kerzenhalter nahm und ins Schlafzimmer ging. Veva lag bereits im Bett und hatte das Gesicht zur Wand gekehrt. Im Grunde gehört auch sie zu den Frauen, die ständig zu den Pfaffen laufen, um für eingebildete Sünden Vergebung zu verlangen, dachte er. Die Kritik an der Kirche, die Martin Luther in Worte gefasst hatte, würde sie niemals verstehen.
    Veva sah am Spiel der Schatten, wie er den Kerzenhalter abstellte und sich auszog. Das war also ihr Mann: ein Lump, der sich hier in der Ferne noch schlimmer aufführte als daheim in München. Zwar sagte sie sich, dass er es nicht wert war, wenn sie sich seinetwegen grämte. Und doch wünschte sie sich zu dieser Stunde jeden anderen Mann der Welt zum Gatten als ihn.

11.
    A m nächsten Tag stand Veva auf, ohne ihren schnarchenden Mann zu wecken. Daher wurde Ernst erst wach, als aus der Küche die Geräusche drangen, die Veva bei der Zubereitung des Morgenbreis machte. Er hatte so wild geträumt, dass er zuerst glaubte, Waffenklirren zu hören. Als er sich bewusst wurde, dass er zu Hause war und im eigenen Bett lag, seufzte er erleichtert.
    Nachdem er aufgestanden war und sich angekleidet hatte, trat er in die Küche und wünschte Veva einen guten Morgen.
    Als Antwort klatschte sie einen Schöpfer Brei in

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