Die Ketzerbraut. Roman
Kopf und musterte den früheren Pfarrer mit einem durchdringenden Blick. Als gläubiger Mensch wusste Fugger nicht, ob er den Mann verachten sollte, weil dieser die Berufung zum Geistlichen von sich geworfen hatte, oder anerkennen, dass der Mann sich des hohen Amtes für unwürdig erachtet und die entsprechenden Konsequenzen gezogen hatte. Doch das, was er ihm jetzt mitteilen musste, hatte mit Hilarius selbst nichts zu tun.
»Du würdest es zwar bald durch einen Brief aus München erfahren, aber da ich die entsprechende Nachricht erhalten habe, will ich sie dir nicht vorenthalten. Dein Herr, Ernst Rickinger, ist bei einer Reise nach Innsbruck überfallen und ermordet worden. Daher ist es umso wichtiger, dass du dessen Eheweib mit allen Kräften dienst.«
Hilarius schlug erschrocken das Kreuz. »Ernst Rickinger ist tot? Bei Gott, das darf nicht sein!«
»Gott fragt selten danach, ob wir mit seinem Wirken einverstanden sind. Was er bestimmt, geschieht. Aus diesem Grund werden wir so um Ernst Rickinger trauern, wie er es verdient. Aber wir müssen auch alles daransetzen, damit seiner Witwe und dem Kind, mit dem diese schwanger geht, kein Schaden entsteht. Daher werde ich dir die Summe leihen, die der Bischof von Freising von dir für den Dispens verlangt. Dafür wirst du vier Stunden am Tag meinen Angestellten bei ihren Aufgaben helfen. Den Rest der Zeit kannst du für die Geschäfte deiner Herrin verwenden.« Fuggers Stimme klang so kühl, als fürchtete er, gutes Geld zum Fenster hinausgeworfen zu haben.
Hilarius schwirrte der Kopf. Ernst sollte tot sein? Er hatte ihn sowohl als verwegenen Burschen wie auch als verantwortungsbewussten Handelsmann kennengelernt und ihn zuletzt mehr geschätzt als jeden anderen Menschen mit Ausnahme von Rosi.
»Mein Herr, ich … Ihr seht mich erschüttert. Fast will ich es nicht glauben, dass unser Herrgott im Himmel einen Mann wie Ernst Rickinger von dieser Welt abberuft.«
»Rickinger hat sich durch Übermut einige Feinde geschaffen. Ich vermute, einer von ihnen hat jetzt Rache geübt«, erklärte Fugger.
»Ich traue es sowohl dem Remigius wie dem Thürl zu. Dieser war doch im Herbst hier, als Luther dem Kardinal Cajetanus Rede und Antwort stehen musste.« Hilarius wusste selbst nicht genau, weshalb er Doktor Portikus’ Namen ins Spiel brachte.
Auch Fuggers Gedanken gingen unwillkürlich in diese Richtung. »Portikus war Gast in meinem Haus, und er hat Seine Eminenz, Kardinal Cajetanus, bedrängt, den sächsischen Mönch härter anzufassen. Dabei hat er öfter mit Cajetanus’ Begleiter Franz von Gigging gesprochen. Soviel ich weiß, muss mindestens ein Mal Ernst Rickingers Namen gefallen sein. Du solltest deiner Herrin schreiben, sie solle sich vor Portikus hüten.«
Bei den letzten Worten nahm Fugger das Schreiben zur Hand, in dem er vorher gelesen hatte, und signalisierte damit, dass die Audienz beendet war. Hilarius zog sich rückwärts zur Tür zurück und verbeugte sich. Da der Handelsherr nicht noch einmal aufblickte, verließ er schweigend den Raum und sah sich draußen einem von Fuggers Angestellten gegenüber.
»Ich weiß nicht, ob der Herr es dir bereits gesagt hat, aber du wirst ab jetzt jeden Tag ein paar Stunden unter meiner Aufsicht arbeiten. Komm mit, es gibt viel zu tun!«
»Fürst Fugger hat es mir mitgeteilt«, antwortete Hilarius und folgte dem Mann.
In den nächsten Stunden schrieb er etliche Briefe für Fugger und musste beträchtliche Sorgfalt walten lassen. Doch Hilarius war froh, dass er zu tun hatte, sonst hätte er es nicht in Fuggers Haus ausgehalten. Alles in ihm drängte, nach Hause zu eilen und Rosi und den kleinen Nis von Ernst Rickingers Tod zu informieren.
Wie lange er an diesem Tag für Fugger arbeitete, hätte er später nicht zu sagen vermocht. Er erhielt eine Liste, auf der die Gewinne verzeichnet standen, die Fugger mit Ernsts und Vevas Beteiligungen erzielt hatte. Die Summe, die der alte Leibert in Jakob Fuggers Geschäfte gesteckt hatte, war von den Gewinnen bereits verdoppelt worden. Doch der Gedanke an Ernsts Schicksal nahm Hilarius jede Freude an dem Erfolg.
Obwohl die Stunden schlichen, verließ er Fuggers Haus erst, als er seine Arbeit beendet hatte und diese für gut geheißen worden war. Auf dem Weg nach Hause beeilte er sich, obwohl er nicht wusste, wie er die Nachricht, die ihn vorantrieb, Rosi am schonendsten beibringen konnte.
Als er das Haus betrat und die Küche aufsuchte, sahen Rosi und Nis ihm an, dass etwas
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