Die Ketzerbraut. Roman
sie.
»Nichts für ungut, Herrin, aber ich habe eben gesehen, dass der Haselegner in die Stadt gekommen ist. Sein Gesicht hat mir direkt Angst gemacht, so finster hat er dreingeschaut.«
Ein Seufzen entfloh Vevas Lippen. Nun würde sie sich wieder auf eine ständige Belagerung durch Haselegner einrichten müssen. »Wenn er heute kommen sollte, sagt ihm, es ginge mir nicht gut und ich hätte mich hingelegt«, befahl sie ihren Getreuen.
»Das machen wir«, sagte der Schwab. »Aber wenn Ihr nichts dagegen habt, geh ich zu Haselegner hinüber. Vielleicht kriege ich heraus, warum er fast zwei Monate früher als geplant zurückgekommen ist und welche Laus über seine Leber krabbelt!« Der Schwab wartete Vevas Antwort nicht ab, sondern verschwand aus dem Zimmer. Er schüttelte den Kopf darüber, wie rabiat die Weiber werden konnten, wenn sie sich durch seinesgleichen gestört fühlten.
3.
H aselegners Wut wurde nur noch von seiner Angst vor Gigging übertroffen. Ein Mann, der kalt lächelnd einen Unbeteiligten ermordete, um dessen Leiche für die eines anderen auszugeben, würde auch ihn abstechen wie eine schlachtreife Sau. Doch bevor er dem Raubritter einen einzigen Gulden bezahlen konnte, musste er erst einmal Veva heiraten und deren Besitz in seine Hand bekommen. Die vermeintliche Witwe hatte zwar erklärt, sie wolle erst eine neue Ehe eingehen, wenn sie das Wochenbett verlassen hatte. Aber so lange durfte er nicht warten. In weniger als einem Monat wollte Gigging die erste Rate haben, und er hatte diese Summe so groß bemessen, dass nicht einmal der Gewinn aus dem Venedig-Handel dafür ausreichen würde.
Nachdem Haselegner sich von einem Knecht einen vollen Weinkrug auf den Tisch hatte stellen lassen, scheuchte er das Gesinde aus seinen Privaträumen und versuchte in Ruhe nachzudenken. Schließlich konnte er nicht einfach zu Veva gehen und ihr sagen, sie müssten umgehend heiraten. Sie würde ihn des Hauses verweisen. Aber wenn er nicht schon bald Giggings Stahl zwischen den Rippen spüren wollte, musste er ihren Willen brechen.
»Genau das werde ich tun!«, rief er aus und führte seinen Becher zum Mund.
Darin aber war kein Tropfen mehr. Er füllte ihn erneut, und während er trank, wanderten seine Gedanken weiter. Wahrscheinlich würde er Veva eine ordentliche Tracht Prügel verabreichen müssen, um sie zur Ehe zu zwingen, und ihr damit gleich zeigen, wer der Herr war. Doch auch dann bestand die Gefahr, dass sie vor dem Priester nein sagte und ihm ins Gesicht lachte. Demzufolge gab es nur eine einzige Möglichkeit, um ihr eine Weigerung unmöglich zu machen, nämlich, sie zu vergewaltigen. Danach musste sie ihn heiraten, um ihre Ehre wiederherzustellen. Allerdings war Veva eine eigenartige Frau und würde sich möglicherweise selbst dann weigern.
»Es muss ein Pfaffe anwesend sein, der den Trausegen spricht, während ich sie rammle!«, sagte er und versetzte der Tischplatte einen heftigen Schlag. Doch wie sollte er einen Priester finden, der ihm gegen eine Belohnung diesen Dienst erweisen würde? Mit einem Mal glättete sich seine verzerrte Miene. Natürlich gab es einen Priester in München, den er für diesen Streich gewinnen konnte. Lächelnd leerte er den Becher ein weiteres Mal und machte sich zum Ausgehen bereit. Dabei überlegte er, dass er kaum am helllichten Tag zu Vevas Haus gehen und ihr Gewalt antun konnte. Das durfte nur in der Nacht geschehen, und da brauchte er jemanden, der ihm die Türen öffnete.
Nun wird der Schwab etwas für die Gulden tun müssen, die er von mir kassiert hat, sagte er sich. Immerhin hatte er dem Kerl schon einiges an Geld in den Rachen gestopft, und er war auch bereit, noch ein paar goldene Füchse, wie Gigging sie nannte, springen zu lassen. Haselegner griff nach seinem Überwurf, denn er wollte Vevas Haus aufsuchen, um mit ihrem Knecht zu sprechen. Doch wie es das Schicksal wollte, sah er diesen just in diesem Moment die Hütergasse herabkommen. Mit einem zufriedenen Grinsen verließ Haselegner seine Kammer und eilte zur Tür.
Er erreichte die Pforte schneller als sein Hausknecht, der auf den Ton des Türklopfers herbeigeeilt war.
»Du kannst wieder an deine Arbeit gehen«, beschied Haselegner ihm und öffnete selbst.
Der Schwab wunderte sich, den Hausherrn an der Tür zu sehen, der außerdem gänzlich verwandelt schien. Er wirkte hochzufrieden, während er noch am Vormittag mit verzweifelter Miene in die Stadt eingeritten war.
»Grüß Euch Gott, Herr
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