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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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jetzt und sündige in der nächsten Zeit weniger, damit du nicht so viel Schlimmes zu beichten hast!«
    Für einen Moment erwog er, ihr zu befehlen, die Beichte in Zukunft bei einem anderen Geistlichen abzulegen, da sie eine zu große Versuchung für ihn darstellte. Doch die Worte erstarben auf seiner Zunge.
    Erschrocken über den für sie unerklärlichen Unmut des Paters sprang Rosi aus dem Beichtstuhl und rannte davon, ohne sich noch einmal umzusehen. Daher entging ihr eine Frau in dunkler Kleidung, die in einer düsteren Ecke gewartet hatte. Nachdem diese sah, dass der Beichtstuhl frei war, schlüpfte sie hinein.
    »Da bin ich, Pater«, flüsterte sie dem noch immer mit seinen Gefühlen kämpfenden Hilarius zu.
    Dieser antwortete mit einem willkürlichen lateinischen Spruch und hätte sie am liebsten wieder weggeschickt. Doch da berichtete sie ihm bereits mit heiserer Stimme von den Unzüchtigkeiten, die sie unter der Woche begangen hatte.

8.
    R osi war zunächst blindlings davongestürzt, ohne auf den Weg zu achten. Als sie in der aufziehenden Dämmerung den Schönen Turm vor sich sah, der die Kaufingerstraße begrenzte, blieb sie stehen und sah sich unsicher um. Nur noch wenige Menschen waren unterwegs, und das verriet ihr, wie spät es geworden war. Der Markt auf dem Schrannenplatz war längst zu Ende, die Kaufleute hatten ihre Auslagen geschlossen und die Handwerker ihr Werkzeug aus der Hand gelegt.
    Es lag eine seltsame Stimmung über der Stadt. Die Hast und der Lärm des Tages waren geschwunden, ohne dass die Stille der Nacht bereits eingezogen wäre, die meist nur vom gelegentlichen Gebell eines Hundes oder den Rufen der Turmwächter unterbrochen wurde.
    Nun wurde Rosi sich wieder ihrer selbst bewusst, und sie fühlte sich besudelt. Angeekelt eilte sie auf den nächsten Brunnen zu, steckte beide Arme bis über die Ellbogen ins Wasser und rieb sie heftig. Doch als sie die Hände wieder herauszog, glaubte sie immer noch die Spuren von Hilarius’ Samenflüssigkeit zu spüren, und wusch Hände und Arme erneut. Das Gefühl wich nicht.
    Ob er das auch mit Knaben machte?, fragte Rosi sich. Wohl kaum, denn sonst hätten die Burschen sich längst Ernst Rickinger zum Vorbild genommen und den Pater zum Gespött der Stadt gemacht. »Wir Weiber müssen das alles ertragen«, schimpfte sie leise vor sich hin, während sie Wasser aus dem Brunnen schöpfte und ihr Kleid an den Stellen reinigte, an denen sie ebenfalls die Spuren von Pater Hilarius’ widernatürlichem Tun zu sehen glaubte.
    Ein Holzeimer, der neben dem Brunnen stand, brachte sie auf eine Idee. Um diese Zeit war das Hoftor gewiss schon verschlossen, und sie würde den Hausknecht herausrufen müssen, damit er ihr aufmachte. Ein voller Eimer Wasser, den sie angeblich noch hatte holen müssen, schien ihr eine wirkungsvolle Ausrede zu sein, warum sie zu dieser Stunde noch draußen unterwegs war.
    Während sie mit dem gefüllten Eimer zum Haus ihrer Meisterin zurückkehrte, fiel ihr ein, dass das Gefäß am nächsten Morgen gewiss vermisst werden würde. Sie beschloss, den Eimer gleich nach Sonnenaufgang zurückzubringen. Doch dies minderte nicht das Gefühl, dass sie Pater Hilarius’ wegen nun auch noch zur Diebin geworden war.

9.
    E twa um die Zeit, in der Rosi den Wassereimer nach Hause schleppte, war der große Saal der herzoglichen Residenz hell erleuchtet. Edelleute und Hofdamen tanzten in prunkvolle Gewänder gekleidet mit gravitätischen Schritten zur Musik der Hofkapelle. Immer wieder warfen sie fragende Blicke auf den Herzog, der an der Stirnseite des Saales auf einem Sessel saß. Sonst war Wilhelm IV . immer der Erste beim Tanz, und die Damen warteten auch diesmal begierig auf seine Teilnahme. Danach aber sah es im Augenblick nicht aus. Neben dem Herzog stand nämlich der Theologe Doktor Portikus, der im Gegensatz zu den anderen Gästen in düsteres Schwarz gekleidet war und als einziges Schmuckstück ein silbernes Kreuz an einer ebenfalls silbernen Kette um den Hals trug.
    Gerade hielt Portikus dem Herzog ein Blatt Papier hin. »Euer Gnaden, seht doch selbst! Da ist schon wieder ein Pamphlet des rebellischen Mönchs aus Wittenberg in den Kirchen Eurer Residenzstadt aufgetaucht. Der Wisch trieft vor Schmutz, mit dem die heilige katholische Kirche beworfen wird. Wagt es dieser Luther doch, Seine Heiligkeit den Papst persönlich anzugreifen! Auch geifert er gegen die ehrwürdigen Bischöfe, Äbte und Äbtissinnen im Reich. Es muss etwas getan werden,

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