Die Ketzerbraut. Roman
damit diese Schmierblätter nicht länger das Gemüt des einfachen Volkes vergiften.«
Während Portikus sich ereiferte, nahm Wilhelm ihm das Blatt aus der Hand und starrte darauf. Dann sah er mit gefurchter Stirn auf. »Der sächsische Mönch übertreibt natürlich. Dennoch kann ich seine Kritik gegen Teile des Klerus und der Klöster verstehen. Ihr wisst selbst, dass auch in unserer Residenzstadt München nicht alle Geistlichen die gebotene Keuschheit und Demut zeigen.«
»Es mag einige wenige geben, die gesündigt haben, Euer Gnaden. Doch der Auswurf des sächsischen Mönchs ist nicht gegen Einzelne gerichtet, die Verfehlungen begangen haben, sondern gegen die Gesamtheit des Klerus und der Klostergemeinden. Luther hetzt das Volk auf, so dass es sich zuerst gegen seine Seelsorger und danach gegen seine Landesherren empört. Euer Gnaden, die Schriften dieses Mannes müssen vernichtet und er selbst als Ketzer verbrannt werden. Nur dann wird wieder Ruhe im Land einkehren!« Portikus war zuletzt so laut geworden, dass die Tanzenden seine Worte trotz der Musik verstehen konnten.
Manche Adelige lächelten einander spöttisch an. Da sie Verwandte hatten, die aus Familientradition Kleriker geworden oder in ein Kloster eingetreten waren, wussten sie aus erster Hand, dass es sich mit reichen Pfründen oder in einem wohlhabenden Kloster gut leben ließ. Das war den meisten sogar recht, denn sie hatten bereits Söhne und Töchter für eine geistliche Laufbahn bestimmt, und keiner wollte seine Nachkommen darben sehen.
Der Herzog streifte Portikus mit tadelndem Blick. »Die Geistlichkeit soll so leben, dass das Volk in Achtung zu ihr aufsieht und ihre Lehren befolgt. Doch es gibt im ganzen Bayernland genauso wie in unserer Residenzstadt genug Priester und Mönche, die weniger daran denken, Gottes Wort zu verkünden, als sich mit ihren Beischläferinnen und Bettmägden zu vergnügen. Andere vergreifen sich gleich an den Weibern ihrer Gemeinde. Oder habt Ihr schon vergessen, wo Euer frommer Betbruder Remigius aufgegriffen worden ist?«
Die Erwähnung jener Szene, in der Ernst Rickinger den Geistlichen beim Beischlaf mit einer verheirateten Bürgerin ertappt und zum Gespött der ganzen Stadt gemacht hatte, trieb Portikus die Zornesröte ins Gesicht. Jedem anderen hätte er mit deutlichen Worten klargemacht, was er von solchen Schurkenstücken hielt. Vor dem Herzog musste er seine Worte jedoch gezielter setzen. »Pater Remigius hat gefehlt, doch das war nicht seine Schuld, sondern die jenes Weibes, das ihn zu diesem Tun verführt hat.« Am liebsten hätte Portikus hinzugesetzt, dass es ein abgekartetes Spiel gewesen sei. Da der junge Rickinger und seine Freunde jedoch auch die Frau nackt auf die Straße getrieben hatten, würde dieses Argument beim Herzog nicht verfangen.
Wilhelm IV . ließ sich nicht beeindrucken. »Wir haben noch mehr solcher Anschuldigungen vernommen. So soll Pater Remigius selbst der schlimmsten Sünderin die Absolution erteilen, wenn sie ihm Dinge gestattet, die Gott nur zwischen Ehemann und Ehefrau erlaubt hat.«
Du bist gerade der richtige Mann, um dich über die Unmoral der Geistlichkeit zu beschweren!, dachte Portikus erbittert. Der Herzog war gewiss kein leuchtendes Beispiel an Tugend. Jung und von einem Flor bereitwilliger Hofdamen und Mägde umgeben, sündigte Herzog Wilhelm wahrscheinlich mehr als die Hälfte der Priester und Vikare der Stadt München zusammen. Doch was dem Ochsen verboten ist, ist für Jupiter recht und billig, wandelte der Geistliche ein lateinisches Sprichwort um und versuchte erneut, den Herzog gegen den aufmüpfigen Mönch aus Sachsen einzunehmen.
Da aber entdeckte Wilhelm unter den Tänzerinnen seine derzeitige Favoritin und erhob sich. »Wir sprechen zu einer anderen Zeit über diese Sache«, beschied er Portikus und gesellte sich mit einer huldvollen Geste zu seinen Gästen.
Portikus sah ihm mit verbissener Miene nach und zerbrach sich weiterhin den Kopf, wie er den Herzog dazu bewegen konnte, dem ketzerischen Treiben in seinem Herrschaftsgebiet ein Ende zu bereiten. Wilhelm besaß einen starren Sinn, und ihn lenken zu wollen war gefährlich. Dennoch musste es einen Weg geben, ihn zu überzeugen.
Mit diesem Vorsatz verließ Portikus die herzogliche Residenz und schritt in Richtung Unserer Lieben Frau davon. Vor dem Dom, dessen Türme von einfachen Hauben aus Holz gekrönt wurden, trat ihm einer jener Mönche entgegen, die er als Wache eingesetzt hatte, um den Kerl zu
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