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Die Ketzerbraut. Roman

Titel: Die Ketzerbraut. Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Iny Lorentz
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abgeurteilt werden.
    Die gleichen Sorgen um die Herkunft seiner Kinder hätte er sich aber auch bei einer Antscheller-Tochter machen müssen, die als Fremde noch schneller auf die verderbten Geistlichen hereingefallen wäre. Veva hingegen kannte deren Umtriebe. Dabei fiel ihm ein, dass er die erste Zeit mit ihr nicht in München, sondern in Augsburg verbringen würde.
    Als ihn jemand am Ärmel zupfte, blickte er auf und sah die alte Lina neben sich stehen. »Der Augsburger Bote war da und hat etwas für dich dagelassen. Ich bringe es dir gleich!«
    Über seinen eigenen Problemen hatte Ernst beinahe seine Privatfehde mit der hiesigen Geistlichkeit vergessen. Für diese Herrschaften waren die Schriften Luthers von Luzifer selbst diktiert worden. Daher wetterten sie von ihren Kanzeln so eifrig gegen den Wittenberger Mönch, dass die Leute aus ihren Mündern mehr über Luther erfuhren als aus den Flugblättern oder durch den Klatsch, den Händler und Fuhrleute in die Stadt brachten. Er verließ sich jedoch lieber auf das, was er schwarz auf weiß zu sehen bekam. Jeder, der nur ein wenig nachdachte, musste erkennen, dass Luther die Wahrheit schrieb.
    Zwar wusste auch Ernst, dass lange nicht alle Geistlichen so verderbt waren, wie es den Anschein hatte. Doch leider gab es in der Kirche niemanden, der der Unmoral Einhalt gebot, dafür aber genug Priester, Mönche und Nonnen, deren Taten allen christlichen Geboten hohnsprachen.
    »Willst du die Sachen jetzt haben?«, fragte Lina.
    Ernst nickte. »Ja, aber gib sie mir so, dass niemand es sieht, und vergiss sie dann ganz schnell.«
    »So geheim ist das Zeug?« Lina verzog spöttisch den fast zahnlosen Mund. Gleichzeitig empfand sie große Sorge um den jungen Mann, den sie schon als Säugling auf dem Schoß gewiegt hatte. Auch sie hatte von den schlechten Schriften gehört, die in den Kirchen der Stadt ausgelegt worden waren, und Ernsts Worte bestärkten sie ebenso wie das Verhalten des Augsburger Ratsboten in der Überzeugung, dass die beiden etwas damit zu tun haben mussten.
    Da Ernst immer noch in Gedanken versunken war und nicht auf die alte Frau achtete, entging ihm ihr ängstlich fragender Blick. Er folgte Lina in ihre Kammer und sah zu, wie sie ein Päckchen unter ihrem Strohsack hervorholte. Es war in gewachstes Leinen eingeschlagen und dreifach verschnürt, wies aber kein Siegel auf. Rasch nahm er es an sich und steckte es unter sein Wams.
    Lina sah ihn flehend an. »Bringe dich nicht um die ewige Seligkeit, Ernst. Die Tore des Himmels sind denen, die die heilige Kirche schmähen, verschlossen!«
    »Aber Lina, du kennst mich doch«, sagte Ernst mit einem beruhigenden Lächeln.
    Die Köchin blickte ihn an, als wolle sie durch ihn hindurchsehen. »Gerade weil ich dich kenne, habe ich Angst um dich! Versprich mir, dass du nichts Unüberlegtes tust!«
    Immer noch lächelnd legte Ernst ihr die Hand auf die Schulter. »Ich verspreche es dir, Lina.«
    »Am besten wäre es, du würdest mir dieses Päckchen geben, damit ich es ins Herdfeuer stecken kann.« Lina wusste natürlich, dass Ernst das niemals tun würde, und gab sich notgedrungen mit seinem Versprechen zufrieden. Ihr blieb nur die Hoffnung, dass er spätestens nach seiner Heirat vernünftig wurde und sich von solch schlimmen Dingen fernhielt.
    Ernst waren solche Überlegungen fremd. Noch am selben Tag wollte er die Flugblätter verteilen und Portikus und dessen Handlangern eine lange Nase drehen. Mit diesem Vorsatz ging er in seine Kammer, schob den Riegel vor und zog sein Messer, um die Schnüre zu durchtrennen. Er nahm sich nicht einmal die Zeit, seine Reisekleidung abzulegen.
    Als er das erste Flugblatt in Händen hielt und die teilweise recht deftig formulierten Anklagen gegen die Kirche durchlas, begriff er, dass es dumm von ihm wäre, wenn er die Schriften sofort unters Volk bringen würde. Der Zusammenhang zwischen seiner Rückkehr und dem Auftauchen der Schmähschriften wäre zu auffällig. Noch hielten die Geistlichen ihn für einen sittenlosen Kerl, aber nicht für einen Ketzer. Wenn er ihnen jedoch einen Anhaltspunkt dafür lieferte, ein Anhänger Luthers zu sein, würde ihm das übel ausschlagen.
    Solche Überlegungen hatten ihn vorher noch nie gequält, stellte er verärgert fest, als er die Flugblätter bis auf eins versteckte, das er noch einmal lesen wollte. Während er sich umzog, sagte er sich, dass er nicht aufgeben würde. Auch wenn er selbst nicht die Art Christ war, die Doktor Martin Luther sich

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