Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
keiner mehr helfen. «
Dann schubste er Adelind an, denn er schien sich in der Nähe des bewachten Tores nicht wirklich sicher zu fühlen. Eng aneinandergedrängt überquerten sie den Burggraben und erreichten ein Geflecht von Gassen, die schnell vertraut auszusehen begannen. Adelind erkannte die schattenhaften Umrisse des Hauses des Gewürzhändlers. Es schien von sämtlicher Zerstörungswut verschont geblieben zu sein, und sie vermutete, dass Teile des Heeres dort nun untergebracht waren. Anschließend überquerten sie den großen, von einem Baum überschatteten Platz, an dem Peyres bereits vor über einem Jahr angeboten hatte, sie in Sicherheit zu bringen.
» Wohin gehen wir eigentlich? « , fragte Adelind, denn die Erinnerung an Zeiten, da diese Stadt ihr ein sicheres Zuhause gewesen war, begann weh zu tun. » Durch die Pòrta Narbonesa hinauszugehen wäre sicher schwierig, denn sie ist das Haupttor. Warum sind wir eigentlich nicht gleich durch den Hinterausgang der Grafenburg nach draußen gegangen? «
Peyres gab ihr durch einen finsteren Blick zu verstehen, dass sie zu viele Fragen stellte.
» Wir kommen heute Nacht keinesfalls aus der Stadt hinaus « , sagte er, während er sie alle rasch zu einer Hauswand winkte, denn am Ende einer der Gassen erklangen Schritte. » An allen Ausgangstoren sind die Kontrollen streng. Ich bräuchte einen wirklich guten Grund, warum ich drei Huren ins Freie führe, und den habe ich nicht. Es gibt nämlich genug von der Sorte, die hier in irgendwelchen halb verfallenen, verlassenen Häusern leben. «
Adelind lehnte sich an die hölzerne Wand in ihrem Rücken. Der erste Rausch der Freiheit begann nachzulassen, sie spürte eine schmerzhafte Müdigkeit in ihren Beinen, doch gleichzeitig weckte die Vorstellung, sich nicht sogleich aus dieser Stadt entfernen und irgendwo im Wald verstecken zu können, tiefe Unruhe in ihr.
» Wohin gehen wir dann? « , fragte sie nur.
» In ein verlassenes Haus, nahe der Kathedrale von Sant Nazari. Es ist bereits zur Hälfte eingestürzt, deshalb wurde dort bisher niemand untergebracht. Aber es gibt dort ein unterirdisches Versteck, in dem bereits ein paar Leute auf einen günstigen Moment warten, die Stadt zu verlassen. «
Adelind verarbeitete diese Neuigkeiten nur langsam. Sie hatte auf weite Wiesen und frisches Quellwasser gehofft, doch sollte sie wieder auf unbestimmte Zeit in einem dunklen Loch sitzen, gemeinsam mit ein paar unbekannten Menschen, denen sie vielleicht nicht einmal willkommen wäre. Doch erstickte die Einsicht, dass es tatsächlich keine andere Möglichkeit gab, jeden Widerspruch.
» Wer versorgt diese Leute mit Essen? « , wollte sie sich auf alle Umstände vorbereiten, als sie Peyres wieder hinterherschlich und in der Ferne bereits den Turm von Sant Nazari in den Nachthimmel ragen sah.
» Menschen wie ich, die sich auf die Seite der Sieger geschlagen haben, da ihnen keine andere Wahl blieb, aber versuchen, das Leid der anderen so weit wie möglich zu lindern. «
Adelind vermeinte einen leisen Vorwurf in seiner Stimme wahrzunehmen, der darauf hinwies, dass Peyres ihren verächtlichen Blick im Rittersaal durchaus wahrgenommen hatte. Aber er zog sie weiterhin an der Hand hinter sich her.
» Ich kann mich in der Stadt frei bewegen, so viel Vertrauen hat man inzwischen in mich « , redete er unterwegs weiter. » Es wird nicht schwer für mich sein, euch regelmäßig Wasser und Essen zu bringen. Die anderen Leute in dem Versteck werden dankbar sein, mitversorgt zu werden, und daher keine Einwände haben, euch aufzunehmen. Nachts schleichen sie sich angeblich manchmal nach draußen, um ein wenig frische Luft zu bekommen, aber das ist nicht ungefährlich. «
All dies klang gut durchdacht, sodass Adelind stumm nickte.
» Aber morgen, wenn sie merken, dass das Verlies leer ist, dann stellen sie die ganze Stadt auf den Kopf « , meldete sich Hildegards leise Stimme im Hintergrund. Peyres fuhr herum.
» Das Versteck ist recht sicher « , entgegnete er barsch, um dann etwas sanfter hinzuzufügen: » Mehr kann ich leider nicht für euch tun. Oder wollt ihr lieber gleich auf den Scheiterhaufen steigen? «
Adelind schluckte betreten, doch Hildegard redete nach einer Weile weiter.
» Den Wächtern ist mein Haar aufgefallen. Sie haben sich erinnert, dass eine der gefangenen Häretikerinnen solches Haar hatte. Sehr wahrscheinlich kannst du morgen schon nicht mehr unbewacht aus der Grafenburg, da sie dich verdächtigen. «
Adelind
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