Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
gewöhnt.
Ein Griff riss sie zurück. Sie trat und biss, dann traf eine Ohrfeige ihre Wange. Sie schrie vor Schmerz und Zorn. Das dunkelhäutige Gesicht von diesem Peyres war nun so nahe, dass sie es hätte zerkratzen können, doch hatte er ihr die Hände auf den Rücken gezwängt. Seine Augen blitzten. Dunkle Augen. Teufelsaugen. Auf eine sehr fremde Art waren sie schön.
» Hör zu, Mädchen. Wenn dir deine Keuschheit auch nur einen Pfifferling wert ist, dann verzichte auf das Geld « , zischte er. Auch seine Sprache klang fremd, hart und gleichzeitig wie Gesang. » Der Beutel wird sie eine Weile ablenken, und du nimmst dein kleines Schwesterchen und rennst um dein Leben. Matthei ist wahrlich nicht der Hellste, aber irgendwann wird auch er kapieren, dass die Pfaffen euch bei ihm nie und nimmer finden. Denn wenn sie sich zu ihm verirren, dann reden sie nicht darüber. «
Er lachte. Adelind zappelte eine Weile in seinem Griff, dann drang der Sinn seiner Worte in ihren Verstand. Sie atmete tief durch, nickte und wurde losgelassen. Es tat weh, als sie den Beutel von ihrem Gürtel entfernte. Fast als würde ihr eine Hand abgehackt. Peyres packte ihn sogleich, um ihn in die Luft zu werfen.
» Seht her, davon können wir feiern, bis wir uns nicht einmal mehr an unsere Namen erinnern « , rief er. Adelind begriff, dass Matthei und seine Kumpane in Hörweite sein mussten.
» Ich habe ein Recht auf einen Anteil « , krächzte Johann. » Ich habe sie hierhergebracht. «
Er versuchte, Peyres den Beutel zu entwinden, wurde aber mit einem Tritt zur Seite gefegt. Dann erhielt auch Adelind einen Schubs, der sie fast umfallen ließ.
» Renn « , flüsterte Peyres. » Lauf endlich! «
Sie gehorchte. Es ging weiter ins Dickicht der Gassen dieser schmutzigen, verwahrlosten Gegend. Wo waren sie hergekommen? Und welcher Weg führte wieder hinaus? Adelind lief, bis ihr schwarz vor Augen wurde. Dann trat einer ihrer Füße plötzlich ins Leere. Sie kippte vorwärts, rieb sich die Handflächen an einer rissigen Hauswand auf und landete mitten in dem stinkenden Braun der Straße. Eine Flamme aus Schmerz loderte in ihrem rechten Knöchel auf.
» Bist du verletzt? « , flüsterte Hildegard. Adelind schüttelte trotzig den Kopf und zwang sich wieder auf die Beine. Da ihre Kleider nass geworden waren, begann sie vor Kälte zu schlottern. Sie musste sich bewegen, um warm zu werden, doch schon als sie den ersten Schritt tun wollte, wurde das Brennen in ihrem Knöchel zu einem flammenden Inferno, das ihren ganzen Körper erfasste.
Sie begann zu schreien und schlug sich die Hände vors Gesicht, während die Beine unter ihr erneut nachgaben. Sie hatte versucht, in dieser unerwartet feindseligen Welt zu überleben, alles getan, was sie vermochte, aber bereits am ersten Tag hatten sie keine einzige Münze mehr, und zudem vermochte sie nicht einmal zu laufen. Bald schon hätten Matthei und seine Männer sie eingeholt, oder die anderen Elendsgestalten dieser Gegend würden sich auf sie stürzen. Selbst wenn sie bereit wäre, ins Kloster zurückzugehen, zu schaffen war es nun nicht mehr.
Ein Strom von Tränen überflutete Adelinds Wangen, während Hildegard ihr tröstend den Rücken streichelte.
» Es tut mir so schrecklich leid « , murmelte sie. » Aber bitte, versuch aufzustehen. Ich werde dich stützen. «
Mit gemeinsamer Kraft schafften sie es tatsächlich, sich beide wieder aufzurichten, doch war jeder Schritt für Adelind eine derartige Qual, dass sie nur sehr langsam vorwärtskamen. Es erstaunte sie nicht einmal, als sie im Hintergrund eine bereits bekannte Stimme vernahm.
» Da sind sie, los, kommt alle her! «
Müde wandte sie sich zu Johann um. Er wirkte so kindlich in seiner Verschlagenheit und gleichzeitig so elend, dass sie ihn nicht wirklich zu hassen vermochte.
» Lass uns doch einfach in Ruhe! Für dein Verhalten kannst du in die Hölle kommen « , mahnte sie nun durchaus ernsthaft. Er zog eine Grimasse.
» In der Hölle, edle Frau, da sehen wir uns eines Tages alle wieder. «
Fröhlich kichernd sprang er um Adelind und Hildegard herum. Wasser spritzte in die Höhe. Sie bemerkte mit Entsetzen, dass er weder über Schuhwerk noch über Stoffbinden an den Füßen verfügte. Frostbeulen entstellten seine Zehen, die nicht mehr vollständig waren. Am linken Fuß fehlten bereits drei.
Im Hintergrund planschten weitere Schritte. Adelind empfand seltsame Erleichterung, als sie die kräftig eingefärbte Tunika und das
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