Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Nähe zu werden.
Ein langes Stöhnen von Peyres beendete das Schauspiel. Adelind atmete erleichtert auf, denn nun würde sie hoffentlich in Frieden bis zum Morgen schlafen können. Bilder tauchten unter ihren Lidern auf. Die feuchten, selbstgefälligen Lippen von Vater Severinus. Das geschwollene Stück Fleisch zwischen den Schenkeln des Bettlers in der Hütte. Es erstaunte sie, dass Marcia sich nicht weniger zufrieden angehört hatte als Peyres, denn die Fleischeslust schien eine widerwärtige Beschäftigung für Frauen.
Adelind wälzte sich herum. Eine unerklärliche Unruhe hatte sie befallen. Es dauerte sehr lange, bis der Schmerz an ihrem Knöchel ihr erlaubte einzuschlafen.
Peyres war bereits im Morgengrauen verschwunden, bevor Marcia einen Laib Brot hervorgeholt hatte, den sie sich alle als Morgenmahl teilen sollten, doch schliefen die zwei anderen Männer noch ebenso wie Hildegard. Nur Adelind saß kauend neben ihr vor dem Lagerfeuer. Die Sonne wärmte endlich wieder.
» Du magst ihn, nicht wahr? « , fragte Marcia plötzlich. In ihrer Sprechweise lag ein fremder Klang, ebenso wie bei Peyres. Adelinds Wangen brannten.
» Er hat meiner Schwester und mir geholfen. Dafür bin ich natürlich dankbar. «
Marcia sah ihr auffordernd ins Gesicht. Adelind musterte die großen Augen mit den fein geschwungenen Brauen, pechschwarze Locken und die makellose, glatte Haut. Das Gesicht der Gauklerin lief am Kinn spitz zu und erinnerte an ein Wiesel, doch schien die Fremde ein liebliches wildes Tierchen. Bunte Steine glänzten in ihren Ohrläppchen. Ihr Kleid war farbenfroh, als seien verschiedene Stofffetzen zusammengenäht worden.
» Reine Dankbarkeit ist es nicht. Erzähl mir keine Märchen « , erwiderte Marcia. » Ich weiß, wie du ihn ansiehst. «
Adelind begann trotz der eisigen Kälte zu schwitzen.
» Du kannst ihn kriegen, wenn du dich geschickt anstellst « , sagte die dunkle Schöne. » Er lässt kein Weib aus, das ihn reizt. Aber ich bin es, die mit ihm weiterzieht. So wird es auch bleiben. «
» Ich will ein gottgefälliges Leben führen « , antwortete Adelind. Marcia stieß ein Kichern aus, führte das Gespräch aber nicht fort. Stattdessen reichte sie Adelind einen Becher Milch, der dankbar angenommen wurde.
Fahrendes Volk, überlegte Adelind, fuhr von Ort zu Ort. Bald schon würde es sich weit von Köln entfernt haben, wo Mutter Mechtildis nach ihr suchen ließ.
5. Kapitel
D er Tag lief gemächlich an. Simon und Antonius waren erst aus dem Wagen gekrochen, als wärmende Sonnenstrahlen bereits die letzten frostigen Lüfte der Nacht mit Wärme durchdrungen hatten. Dann saßen sie schweigend beieinander, kauten an zwei harten Brotrinden und teilten sich einen Becher heißen Wassers, um sie hinunterzuspülen.
» Jemand sollte in der Stadt Vorräte besorgen, bevor wir aufbrechen « , meinte Antonius an niemand Bestimmten gewandt.
» Peyres ist jetzt in Köln « , entgegnete Simon, ohne diesen Umstand weiter zu erklären.
» Der trifft sich doch mit diesen Leuten wegen seiner Schwester « , kam es von Antonius. Marcia, die gerade einen Topf von der Feuerstelle gehoben hatte, ließ ihn wieder fallen. Er schlug mit einem Knall auf den Holzscheiten auf, der zu heißem Wasser geschmolzene Schnee schwappte über den Rand und löschte zischend ein paar Flammen. Über Marcias Lippen huschten fremde Worte, die wie ein Fluch klangen. Dann durchbohrte sie den Jüngling mit zornig funkelnden Blicken.
» Peyres ist in Köln, erledigt alles Notwendige und bringt auch Vorräte mit, damit wir vielleicht heute schon weiterziehen können. «
Kurz sah sie Adelind an, als sei diese Nachricht vor allem für sie bestimmt.
» Aber ihr wolltet doch noch ein paar Tage bleiben « , warf Hildegard ein, die erst nach Simon und Antonius aus dem Wagen gekommen war und nun ebenfalls gierig in eine Brotscheibe biss.
» Manchmal ändert man seine Pläne eben « , erwiderte Marcia, ohne jemand anderen zu Wort kommen zu lassen. » Es ist so schrecklich kalt in diesem Land. Ich kann es nicht erwarten, meine Heimat wiederzusehen. «
» Unterwegs wird es noch eine ganze Weile kalt bleiben, aber du findest doch immer jemanden, der dich wärmt « , warf Simon kichernd ein, bekam dann einen Hustenanfall, der vielleicht durch Marcias böse Blicke ausgelöst worden war.
» Peyres soll entscheiden, was wir tun « , beendete sie entschlossen das Gespräch, ohne auf Widerstand zu stoßen. Hildegard schmiegte sich an Adelind.
» Was
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