Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
menschliche Stimmen die tierischen zu begleiten begannen, setzte Adelinds Herzschlag aus.
Zwei Gestalten rannten die Stufen vor dem Hauptgebäude herab. Ihr Geschrei stammte aus Kehlen, die Adelind nicht völlig fremd waren, denn sie hatte sie kurz vorher leisere Töne von sich geben gehört. Ohne weiter zu überlegen, folgte sie einer ersten Eingebung und legte ihren Arm um Peyres, der erstarrte, aber nicht zurückwich. Dann drehte sie sich zu den herbeirennenden Rittern um.
» Bitte verzeiht, dass wir die Hunde weckten « , sagte sie. » Wir suchten nur einen Fleck, wo wir vielleicht ungestört wären, nicht von so vielen Menschen umgeben wie an unserem Schlafplatz. «
Der Lauf der Ritter verlangsamte sich allmählich. Schließlich trabten sie nur noch, während ihre Blicke verwirrt von Peyres zu Adelind und wieder zurück wanderten. Als Adelind ehrerbietig knickste, kamen sie zum Stillstand. Wieder kramte sie verzweifelt Worte der fremden Sprache aus ihrem Gedächtnis, ersetzte die fehlenden durch lateinische Begriffe.
» Mein Gemahl wurde zur Burgherrin gerufen, die aus Schwermut unter Schlafstörungen leidet « , fabulierte sie weiter. » Es ist allgemein bekannt, dass Musik bei solchen Beschwerden sehr heilsam sein kann. Ich ging ihn holen, denn sein Aufenthalt in einem Frauengemach hätte anstößig wirken können, wäre er zu lang geblieben. «
Mit einem spitzen Lächeln sah sie zu Peyres hoch, der keine Miene verzog. Die Ritter schnaubten wütend, erwiderten aber nichts.
» Die Herrin der Burg kann all dies bestätigen « , flötete Adelind. » Sie wird morgen mit ihrem Gemahl reden. Sorgt Euch nicht, meine Herren, es ist alles in bester Ordnung. «
Die Hunde drehten noch einen letzten Kreis um die Versammelten, dann legten sie sich hechelnd nieder. Adelind schmiegte ihren Kopf an Peyres’ Schulter. Sie konnte kaum glauben, wie aufgeregt und glücklich sie in diesem Augenblick war, da sie sich als Meisterin in sündhaftem Lügen erwies. Die Ritter standen breit und reglos wie Baumstämme vor ihr. Schließlich spuckte der Jüngere von ihnen aus.
» Elendes Gauklerpack, Ausgeburt der Hölle! «
Diese Worte flogen zusammen mit seinem Speichel auf Adelind zu, die stur weiterlächelte, bis die beiden Ritter sich geschlagen gaben und wieder im Hauptgebäude verschwanden. Ihr Arm blieb noch eine Weile an Peyres’ Körper haften, doch wagte sie es nicht, das dunkle Gesicht nochmals anzusehen. Am liebsten wäre sie bis zum Morgengrauen so stehen geblieben, hätte weiter die Wärme des Gauklers gespürt, ohne darüber nachzudenken, wie töricht sie sich benahm. Als plötzlich auch sein Arm auf ihrer Schulter ruhte, wurde ihr Herzschlag zu einem Trommelwirbel in ihrer Brust. Wie betäubt wartete sie auf eine bisher unbekannte Erfahrung, die ihr tiefe Angst einflößte, nach der sie sich aber gleichzeitig verzehrte. Doch nach einer endlosen Weile unschlüssigen Zögerns, da Peyres sie einen Lidschlag lang enger an sich drückte, wurde sie nur zurück in den Lagerraum geführt, wo alle anderen immer noch friedlich schliefen.
» Ich danke dir « , flüsterte Peyres hastig, bevor er sich mit seiner Fiedel im Arm auf einen Strohsack warf und die Decke über seinen Kopf zog.
Am nächsten Morgen wurde ihnen in der Burgküche eine Gemüsebrühe serviert, die sie mit ein paar Scheiben dunklen Brotes verzehrten. An der Tafel des Burgherrn waren sie offenbar nicht mehr erwünscht, und Peyres drängte auch bald schon zum Aufbruch. Adelind atmete erleichtert auf, als der Karren wieder durch das große Tor ins Freie rollte. Die Sonne gewann hier in den Bergen an Kraft, sodass ihre Strahlen bald auf der Haut brannten, da die Planen des Wagens hochgezogen wurden. Es tat so wohl, zu spüren, wie Wärme allmählich bis in die vom Winterfrost geplagten Knochen drang. Um sie herum wetteiferten Vögel in verschiedensten Tonlagen miteinander, fast so wie die Gaukler auf dem Marktplatz in Monpeslier. Adelind musterte die Formen der Blüten, die auf Wiesen und an Sträuchern ihre Farbenpracht zu entfalten begannen. Die Landschaft unterschied sich nicht wesentlich von der ihrer Heimat, doch schien hier alles bereits voller Leben, während Köln Anfang März vermutlich noch im eisigen Griff des Winters ruhte. Sie hielten in einer kleinen Ortschaft, wo Antonius mit Hildegards Hilfe zwei Zähne zog, während Marcia das Geschrei der Gepeinigten ein paar Ecken weiter durch fröhlichen Gesang zu übertönen versuchte. Zum Dank gab es
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