Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
Frauen gewöhnlich tat.
» Wir begrüßen euch alle in Dun « , sagte Biatris auf Okzitanisch, bemühte sich aber aus Rücksicht auf die fremden Gäste, langsam und deutlich zu sprechen. » Bitte folgt uns in unser bescheidenes Heim. Wir haben derzeit hohen Besuch. «
Die fromme Truppe schritt voran, die Gaukler folgten. Das Ziel war ein großer steinerner Bau am Dorfrand, schlicht, aber solide gebaut, wo der Wagen mitsamt Maultier sogleich einem Knecht übergeben werden konnte.
» Was sind das für Frauen? « , flüsterte Hildegard ihrer Schwester zu, als sie in den Hof traten.
» Ich weiß es nicht genau. Sie scheinen auf jeden Fall sehr gottesfürchtig « , erwiderte Adelind. Sie ahnte bereits, dass es sich um eine ähnliche Gemeinschaft handeln musste wie im Haus von Rogièr Malbruit.
Sie durchquerten die Eingangstür und gelangten in einen großen Raum, von dem aus die Mädchen sich in verschiedene Richtungen verteilten. Biatris führte die Gäste allein weiter. Es ging eine Treppe hoch, dann tat ein kleineres Gemach sich auf, in dem bereits ein Kaminfeuer die abendliche Kälte bekämpfte. Ein hoher Stuhl stand am Fenster, und als Biatris sich über die Lehne gebeugt und ein paar respektvolle Worte geflüstert hatte, erhob sich daraus eine Gestalt.
Es war kein junges Mädchen mehr, das nun auf sie zukam, sondern eine Frau von mindestens vierzig Jahren. Ihre hochgewachsene, gertenschlanke Gestalt wirkte dennoch jugendlich, und die an den Wangen bereits leicht erschlaffte Haut änderte nichts an ihrer eindrucksvollen Erscheinung. Diese Frau sah so vornehm aus, dass Adelind bereits in die Knie zu sinken begann, noch bevor sie ihren Namen vernommen hatte.
» Esclarmonde des Foix, Gemahlin des verstorbenen Senhor de l’Isle-Jourdain. «
Sogleich streckten auch Peyres und alle anderen ihre Knie. Die Dame winkte ab.
» Aber nein, lasst das, ihr müsst schrecklich müde sein von der Reise. «
Nun stand sie dicht vor ihnen, und Adelind bemerkte den warmen Blick ihrer großen braunen Augen. Als junges Mädchen musste diese Gräfin Männer um den Verstand gebracht haben, und auch jetzt wirkte sie bezaubernd. Ein Strahlen ging von ihr aus, obwohl sie kein einziges Juwel am Körper trug und in ein ebenso dunkles Gewand gehüllt war wie all die Mädchen hier. Allein der fein gewebte Leinenstoff und der makellose Schnitt ließen auf eine höhere Abkunft der Trägerin schließen. Vermutlich war sie die Herrin der Burg von Dun.
» Ruht euch eine Weile aus, dann werden wir gemeinsam speisen « , redete sie weiter und musterte nun jeden der Ankömmlinge eindringlicher. An Hildegard blieb ihr Blick hängen.
» Dieses Mädchen hier braucht besondere Ruhe in seinem Zustand « , sagte sie an Biatris gewandt, die erst nach kurzem Grübeln zu begreifen schien und nickte.
» Ich kann die Hebamme aus dem Dorf holen lassen, Dòna. «
Die Gräfin lachte kurz auf.
» Aber nein, dazu ist es noch viel zu früh. Glaub mir, nach neun Geburten verstehe ich etwas von diesen Dingen. «
Biatris errötete leicht und führte die Gäste dann hinaus. Adelind staunte, wie schnell Frauen, die selbst Kinder geboren hatten, die Schwangerschaft anderer Frauen entdecken konnten. Ihr selbst wäre es niemals aufgefallen, da Hildegard noch recht schlank wirkte. Auch Biatris hatte nichts bemerkt.
Esclarmonde konnte als mehrfache Mutter nicht ihr Leben lang keusch gelebt haben wie Margarete, sinnierte Adelind, während ihr und Hildegard ein winziges, doch durchaus gemütliches Kämmerchen am Ende eines langen Ganges zugewiesen wurde. Ein mit frischen Laken bezogenes Bett stand darin, eine Kerze brannte auf einem kleinen Tisch, und unter dem Fenster befand sich eine Truhe, in der Habseligkeiten verstaut werden konnten. Bei der Vorstellung, hier wenigstens ein vorübergehendes Zuhause gefunden zu haben, tat Adelinds Herz einen freudigen Sprung. Sie konnte sich kaum noch an eine Zeit erinnern, da sie mit ihrer Schwester hatte friedlich in einem Raum plaudern können, ohne sich vor neugierigen Zuhörern fürchten zu müssen. Jetzt schämte sie sich fast, wie erleichtert sie war, dass Marcia an einem anderen Ort untergebracht wurde. Es gab so viele Dinge, die sie Hildegard fragen wollte.
Sobald die Tür hinter ihnen zugefallen war, sank die Schwester seufzend auf das Bett, nachdem sie ihre Schuhe abgeschüttelt hatte. Wieder legte sie eine Hand auf ihren Bauch und strich den Stoff ihres Kittels glatt, sodass sich eine leichte Rundung abzuzeichnen
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