Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
sie scharf und flehte gleichzeitig im Stillen, Hildegard würde nicht sagen, was sie zu hören fürchtete.
» Ich meine, dass… dass er sich mir in sündhafter Absicht genähert hat. Er sagte, wenn ich erst wüsste, wie es mit einem richtigen Mann ist, würde ich der Keuschheit reumütig abschwören, dass Antonius eben noch ungeschickt sei, aber er… «
Ein Schluchzer unterbrach ihre Worte, doch gleich darauf hatte sie sich wieder gefangen.
» Erst als ich drohte, mich bei der Gräfin zu beschweren, ließ er mich gehen. «
Adelind war zu keiner Regung fähig, obwohl sie sich fühlte wie ein winziges Boot in einem Sturm auf hoher See, hin und her geschleudert von Zorn, Schmerz und der schlichten Weigerung, das Gehörte zu glauben. Ein Stachel bohrte sich langsam in ihr Herz. Sie war nicht so schön wie Hildegard, das hatte sie stets gewusst, ohne darunter zu leiden. Aber nun litt sie und schämte sich gleichzeitig dafür. Hatte Peyres sich nur mit ihr getröstet, da er von Hildegard abgewiesen worden war?
» Warum hast du mir das damals nicht erzählt? « , fragte sie und erschrak, wie kalt ihre Stimme klang. Hildegard seufzte.
» Ich wollte nicht schon wieder für Schwierigkeiten sorgen wie damals im Kloster. Am Ende hättest auch du geglaubt, dass ich nicht ganz unschuldig bin und die Männer bewusst reize. «
» Natürlich hätte ich das nicht geglaubt! « , zischte Adelind. Dann sprang sie auf und drehte eine Runde durch die winzige Kammer, um sich zu beruhigen. Als sie mit dem kleinen Zeh gegen den Bettpfosten stieß, schrie sie gellend ihren Schmerz und ihre Wut in die Welt hinaus.
» Adelind, bitte beruhige dich. «
Hildegard schloss sie in die Arme. Die Wärme ihres Körpers tat so wohl, dass ein Knoten sich in Adelinds Kehle löste und sie endlich weinen konnte wie ein verlorenes Kind, während Hildegard sanft ihr Haar streichelte.
» Es ist schon gut, ich weiß, wie enttäuscht du sein musst. Aber du wirst Frieden finden bei den guten, frommen Leuten in Carcassona. «
Adelind erstarrte für einen Moment, dann löste sie sich aus der Umarmung, um Hildegard eindringlich anzusehen.
» Bist du dir sicher, dass du ihn nicht missverstanden hast? « , bohrte sie nach. » Ich meine, nach deinen Erfahrungen mit Pater Severinus bist du vielleicht… «
» Du meinst, ich habe es mir eingebildet? «
Wieder traf der Schmerz auf Hildegards Gesicht Adelind wie eine Faust.
» Er drückte mich an die Wand und berührte mich an verbotenen Stellen « , flüsterte ihre Schwester heiser. » Dann riss er sein eigenes Hemd auf, um mir zu zeigen, wie schön sein Körper ist. Auf seiner linken Schulter ist ein Mal, ungefähr so groß wie ein Fingernagel. Aber vielleicht hast du es selbst schon ansehen dürfen. «
Adelind verspürte Schmerzen in ihrem Magen, als nagten Ratten an ihren Eingeweiden. Sie wusste, wie schön Peyres’ Körper war, hatte die warme, weiche Haut und die Härte der Muskeln darunter mehrfach spüren dürfen. Auch jetzt war die Erinnerung so lebendig, dass sie gegen ein heftiges Gefühl der Sehnsucht nicht ankam. Aber es war bei ihren nächtlichen Begegnungen stets zu dunkel gewesen, um Muttermale zu erkennen.
Sie lehnte sich an die Wand und atmete tief. Langsam begann die Welt wieder klare Formen anzunehmen.
» Ich werde ihn zur Rede stellen « , beschloss sie. Hildegard schüttelte den Kopf.
» Aber wozu? Natürlich wird er alles abstreiten. Glaubst du mir denn nicht? «
Wieder lag stumme Anklage in ihrem Blick. Adelind fuhr sich mit den Händen durchs Haar.
» Er hat ein Recht zu erfahren, warum ich mich von ihm abwende « , sagte sie mit solcher Entschiedenheit, dass Hildegard dem nichts mehr entgegenhielt.
Es fiel Adelind schwer zu warten, aber sie wusste, dass sie kein unnötiges Aufsehen erregen durfte. Den ersten Abend verbrachte Peyres mit Biatris, wie er ihr bereits angekündigt hatte. Erst am nächsten Tag fand sie eine Gelegenheit, allein mit ihm zu sprechen, während alle anderen Mädchen in Rosas Unterrichtsstube saßen. Sie bot sich an, indessen ein paar Besorgungen im Dorf zu machen, was niemanden überraschte. Es hatte sich bereits herumgesprochen, dass sie hervorragend lesen und schreiben konnte und nur aus Gemeinschaftssinn an den Unterrichtsstunden teilnahm. Gleich nachdem sie das Haus verlassen hatte, sah sie Peyres auf der Bank im Kräutergarten sitzen. Die Fiedel lag auf seinen Knien, und er ließ einen Stofffetzen sorgsam über das Holz gleiten. Adelind spürte,
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