Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
wie ihre Beine sich bei seinem Anblick schneller zu bewegen begannen.
» Adelind! «
Das freudige Leuchten seiner Augen schien vollkommen ehrlich. Wieder nagten die Ratten in ihrem Unterleib.
» Wir wollten uns doch erst abends am Waldrand treffen wie immer. « Lächelnd ließ er weiße Zähne aufblitzen. » Aus Rücksicht auf die Gefühle all der frommen Menschen hier. Sobald wir gemeinsam losgezogen sind, haben wir alle Zeit der Welt füreinander. «
Adelind spürte entsetzt, dass ihr Tränen in die Augen schossen. Gestern noch hatte sie auch an diesen Traum geglaubt. Sie trat ein paar Schritte vor und wartete, bis das Würgen in ihrer Kehle nachließ, damit sie so knapp und klar wie möglich Hildegards Geschichte wiedergeben konnte. Peyres lauschte zunächst aufmerksam, dann begannen seine Augen so zornig zu funkeln wie bei seinen Auseinandersetzungen mit Marcia.
» Und du glaubst es natürlich. Du glaubst jedes Wort! « , schrie er, glücklicherweise auf Deutsch. Die eben noch sorgsam polierte Fiedel wurde achtlos zu Boden geworfen.
» Ich weiß nicht, was ich glauben soll « , gestand Adelind. » Warum sollte meine Schwester lügen? «
» Ja, warum, warum? « Zu ihrem Entsetzen begann Peyres laut zu lachen. » Ich weiß nicht, warum sich so viele Menschen das Recht herausnehmen, mir die übelsten Dinge nachzusagen. Aber weil ich ein Niemand bin, ein ehrloser Spielmann, der schwarze Sohn eines heidnischen Teufels, können sie sagen, was sie wollen, und jeder glaubt ihnen, jeder, sogar du! «
» Bitte schrei nicht « , flüsterte Adelind. Peyres ballte die Hände zu Fäusten, tat ein paar tiefe Atemzüge und setzte sich wieder auf die Bank.
» Ich war wütend auf Hildegard, weil ich wusste, wie tief sie Antonius verletzt hat « , gestand er nun etwas leiser. » Der Junge hatte ein hartes Leben, er wünschte sich so sehr, eine eigene Familie gründen zu können. Vielleicht habe ich Dinge gesagt, die unanständig waren. Ich weiß es nicht mehr. «
Auf einmal wirkte er so niedergeschlagen, dass Adelind Mitleid empfand. Langsam schmolz ihr Zorn dahin, zurück blieb nur der Drang zu erfahren, was wirklich geschehen war.
» Gefällt dir meine Schwester? « , hörte sie sich fragen und wusste gleichzeitig, dass sie nun gefährliches Gelände betrat. Peyres sah sie an. Sein Gesicht war nackt und hilflos.
» Welchem Mann würde sie nicht gefallen? Ich habe selten eine so schöne Frau gesehen. «
Adelind spürte eine Messerspitze in ihrer Brust, aber sie zwang sich weiterzulauschen.
» Doch ein jeder Mann, der ein wenig Erfahrung mit Frauen hat, spürt gleich, dass… dass sie für diese Dinge nicht geschaffen ist. Vielleicht will Gott der Herr uns Männer durch solche Frauen auf die Probe stellen. «
Adelind zuckte zusammen. Nun schnitt das Messer langsam in ihr Herz.
» Und da hast du es eben trotzdem versucht, nicht wahr? Du dachtest, vielleicht kannst du sie verführen, weil du doch schon so viele Frauen verführt hast, du… du dreckiger Hurensohn! «
Sie erschrak selbst über die Heftigkeit ihrer Worte, dann sah sie Peyres aufspringen. Seine Hand hob sich und raste auf ihr Gesicht zu, so wie früher bei Marcia. Sie streckte ihr Kinn empor, um ihn entschlossen anzusehen.
» Na los doch! « , zischte sie.
Seine Hand erstarrte mitten in ihrem schwungvollen Flug, um dann hilflos ins Leere zu sinken. Adelind drehte sich auf dem Absatz um und rannte ins Haus zurück.
Sie ließ das Mittagsmahl ausfallen, indem sie Magenschmerzen vortäuschte, auch gegenüber Hildegard, die nicht bereit gewesen wäre, für sie zu lügen. Sie war erleichtert, als ihre Schwester aus der Kammer verschwand. Ihr einziger Wunsch war, den Tränen freien Lauf lassen zu können. Sie schloss die Fensterläden, um die Sonne und den Duft des Sommers auszusperren, denn beides erinnerte zu sehr an lang gehegte, nun endgültig zerstörte Hoffnungen.
Hildegard stolperte über die Schwelle, als sie wieder hereintrat. In ihren Händen ruhte eine dampfende Schüssel, aus der Gemüsebrühe schwappte.
» Mein Gott, man sieht ja die Hand vor Augen nicht « , klagte sie. Adelind tastete sich mühsam zum Fenster vor, um wieder etwas von dem verhassten Licht hereinzulassen, dann sah sie Hildegard an. Die Schwester schien ungewohnt niedergeschlagen, fast so wie früher im Kloster.
» Ich habe dir Essen mitgebracht « , sagte sie und stellte die Schüssel auf dem Tisch ab. » Biatris meinte, etwas Brühe würde dir guttun. «
Sie setzte sich
Weitere Kostenlose Bücher