Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
einschlagen zu dem wahren, unverfälschten Glauben der ersten Anhänger Jesu und deren vergessene Lehren verbreiten. Nur so findet die Menschheit zur Liebe Gottes, zur Erlösung und zum Licht. Willst du daran beteiligt sein, Adelind? Ich traue es dir zu, obwohl du noch sehr jung bist. «
Adelind spürte, wie diese Worte langsam in ihr Bewusstsein drangen. Esclarmondes Name bedeutete Licht der Welt, wie sie inzwischen gelernt hatte. Ein paar Strahlen dieses Lichts hatten sie nun berührt und ihr Trost geschenkt.
» Ich will, Dòna « , sagte sie völlig ruhig und ohne Zweifel. Sie empfand Frieden, erahnte die Möglichkeit von dauerhaftem, verlässlichem Glück.
» Ich gehe nach Carcassona, wenn Ihr mich noch wollt. «
11. Kapitel
A delind spähte neugierig nach draußen, als der Wagen Wiesen und Felder hinter sich gelassen hatte, um durch das Stadttor von Fanjau zu rollen. Sie zogen durch enge Gassen einen Hügel hinauf zum Stadtkern, um den herum Bauten kreisförmig angeordnet waren. Es gab hier keine Richtung Himmel ragende Burg, wie sie ihr auf den Reisen mit den Gauklern an vielen Orten aufgefallen war, denn der Mittelpunkt dieser Stadt bestand gänzlich aus den Behausungen ihrer führenden Familien. Fanjau lag mitten auf der Handelsstraße von Carcassona nach Pàmias, zwei Zentren der Region, sodass täglich Ströme von Pilgern, fahrenden Händlern und Spielleuten durch seine Gassen zogen. Adelind bemerkte zunächst die nüchternen, soliden Behausungen von Handwerkern und Webern. Sehr viele von ihnen gehörten bereits dem katharischen Glauben an, denn sie traten in schlichter Kleidung aus ihren Türen, um sich der von Esclarmonde angeführten Kolonne anzuschließen. Dann begannen die Häuser an Größe und Prunk zu gewinnen. Wohlhabende Bürger und Menschen niederen Adels der Stadt warteten bereits an ihren Pforten, um die gefeierte Dame zu empfangen. Esclarmonde saß hoch zu Ross, hob manchmal die Hand oder neigte ihren Kopf zum Gruß. Sie selbst trug Schwarz, wie es sich für den Anlass geziemte, aber Adelind entdeckte ein paar bunte Stoffe und glitzernde Juwelen an den Damen, die ehrerbietig vor ihr in die Knie sanken. Frömmigkeit und Eitelkeit vertrugen sich schlecht, sinnierte sie lächelnd und bekämpfte das altvertraute Verlangen nach Farbe in ihrem Leben.
» Es sind so viele Leute hier. Fast wie bei einer fürstlichen Hochzeit oder Taufe « , staunte Hildegard.
» Das Consolament ist unsere Taufe « , belehrte Rosa sogleich. » Und die Schwester des Grafen de Foix ist eine große Fürstin. «
» Schon gut. Ich meinte nur, dass ich mir all dies etwas ruhiger vorgestellt habe « , gab Hildegard der Ermahnung nach. Auf Rosas Stirn hatten sich Falten eingegraben.
» Ich auch. Sogar Gaukler treten hier auf, als wäre es ein Jahrmarkt. «
Adelind, die bisher taktvoll geschwiegen hatte, stieß nun einen leisen Seufzer aus.
» Solange es bei der Zeremonie weder Tanz noch Gesang gibt, vermag ich nichts Schlimmes daran zu finden, wenn den Leuten hier draußen ein wenig Unterhaltung geboten wird. «
Hildegard lächelte sie zögernd an, Rosa schnaubte leise. Adelind kannte derartige Augenblicke nur zu gut. Die letzten drei Jahre hatte eine ihrer wesentlichen Aufgaben darin bestanden, Streitereien zwischen grundverschiedenen Frauen nicht in völligen Hass ausarten zu lassen, Rosas stets kritischen Bemerkungen etwas an Schärfe zu nehmen und Hildegard ebenso wie einige andere Mädchen daran zu hindern, sich von dieser höchst dominanten Person völlig einschüchtern zu lassen. Unterstützt und häufig geleitet wurde sie dabei von Ursanne, der Witwe eines Notars, die fast ein Jahrzehnt lang als Perfacha Kranke gepflegt und den wahren Glauben gepredigt hatte. Da ihr Augenlicht in den letzten Jahren schwächer geworden war, hatte sie sich in Esclarmondes domus in Carcassona zurückgezogen. Sie war das offizielle Oberhaupt, eine Art Äbtissin und als solche für religiöse Unterweisungen zuständig, doch lag die Verwaltung des Hauses in Adelinds Händen, eine Aufgabe, die jeden ihrer Tage bis zum Ende ausfüllte. Auch jetzt, da sie mit ihren Gefährtinnen aus dem Wagen kletterte, ging sie im Geiste die Vorräte an Nahrungsmitteln im Keller durch und überlegte, für welche Aufgaben die fünf kürzlich neu beigetretenen Frauen am besten geeignet wären. Alle waren bereit, dem Gebot der Arbeit nachzugehen, doch waren einige Arbeiten weniger beliebt als andere. Manchmal erwog Adelind, ein paar Bettlerinnen der
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