Die Ketzerin von Carcassonne: Historischer Roman (German Edition)
war, sollte den drei edlen Damen das Consolament erteilen. Die Versammelten wichen in stiller Übereinkunft zurück und verteilten sich ihrem Rang gemäß an den Tischen. Nur Esclarmonde und ihre drei Gefährtinnen blieben erwartungsvoll stehen. Adelind hatte sich mit Hildegard und Rosa an einen Platz im Hintergrund gesetzt. Nun harrten sie alle voller Ehrfurcht auf die bevorstehende Darbietung. Sie hatten bereits gesehen, wie Ursanne ein paar Frauen aus der frommen Gemeinschaft zu Perfachas weihte oder Todkranken das Consolament spendete, doch hier stand eine viel eindrucksvollere Zeremonie bevor.
Langsam erstarb das letzte Murmeln, als drei weitere Perfachs sich zu Guilhabert de Castres gesellt hatten. Diese Männer trugen Schwarz wie alle Katharer, die kein hohes Amt bekleideten. Der zukünftige Bischof trat an den Tisch am hinteren Ende des Saales, der Zentrum des Halbkreises war und von einer Tribüne erhöht wurde. Ein weißes Tuch bedeckte ihn, was Adelind an einen Altar erinnerte, doch fehlten hier Kelch und Hostienschale ebenso wie der Geruch von Weihrauch. Nur ein sehr schlichtes, in braunes Leder gebundenes Buch, das Neue Testament, lag in der Mitte der Tafel, und zog alle Blicke auf sich, da sie durch nichts abgelenkt wurden. Als Guilhabert de Castres erwartungsvoll den Kopf hob, erschien ein Diener mit einer Wasserschüssel, sodass der zukünftige Bischof und die ihm zur Seite stehenden Perfachs sich gründlich die Hände waschen konnten. Keine Unreinheit sollte das bevorstehende Ritual entweihen. In einer kurzen Ansprache brachte Guilhabert de Castres seine Freude über die Aufnahme vier edler Damen in die Gemeinschaft der Vollkommenen zum Ausdruck, dann gab er Esclarmonde ein Zeichen, dass sie zu ihm an die Tafel treten konnte. Dem Ritual gemäß sank sie vor ihm in die Knie, wobei Adelind auffiel, dass sie das vom Hausherrn rücksichtsvoll bereitgestellte Seidenkissen zur Seite schob. Guilhabert de Castres schenkte ihr einen anerkennenden Blick. Dann hielt er die Bibel über ihr verschleiertes Haupt und rezitierte jene Worte, die Adelind bereits sehr gut kannte: » Benedicite, Benedicite, Domine Deus, Pater bonorum spirituum, adiuva nos in ommibus quae facere voluerimus « , erbat er Gottes Hilfe bei allem, was er nun zu tun gedachte.
Ein Paternoster, in das alle Anwesenden einstimmten, folgte. Anschließend vollführte Esclarmonde die Parcia, eine Bitte um Segen durch drei Verbeugungen. Guilhabert de Castres erklärte laut die Bedeutung der Zeremonie, durch die ein Teil des Heiligen Geistes in die sterbliche, vom Teufel geschaffene Hülle eines Menschen eindrang und ihn dadurch zu einem der Vollkommenen machte. Schließlich ergriff er die Bibel und hielt sie über Esclarmondes verschleiertes Haupt, während die anderen Perfachs ihr die Hände auflegten. Die Aufgaben eines Vollkommenen wurden aufgezählt, der seinen Feinden zu vergeben hatte, keinen Groll hegen durfte und stets wohltätig sein sollte. Esclarmonde versicherte, sich mit Gottes Hilfe an diese Weisungen halten zu wollen. Schließlich bekannte sie vergangene Sünden, für die sie Vergebung erbat. Ein weiteres Handauflegen beendete den eigentlichen Akt des Consolament. Nun trug der angehende Bischof einen Ausschnitt aus der Interrogatio Johannis vor, wobei Esclarmonde sich ehrerbietig zu Boden warf. Erst auf sein Zeichen hin stand sie wieder auf, damit ein schlichter schwarzer Mantel um ihre Schulter gelegt werden konnte. Guilhabert de Castres stellte sich nun an ihre Seite, berührte ihre Schulter mit der Bibel und legte seinen Ellbogen an den ihren, was die zwischen verschiedenen Geschlechtern übliche Form des Friedenskusses war. Damit gehörte die Gräfin endgültig zum Kreis der Vollkommenen.
Adelind sah sie mit leuchtendem Gesicht durch den Saal zu jener Tafel schreiten, wo bereits ihr Bruder und ihre Kinder warteten.
» Wie glücklich sie sein muss « , murmelte Hildegard und erhielt einen kritischen Blick von Rosa, da bei solch feierlichen Anlässen geschwiegen werden sollte. Doch konnte selbst die strenge Rosa nicht verhindern, dass auch aus anderen Ecken Gemurmel durch den Saal drang. Eine bedeutendere Person als die Schwester des Grafen de Foix hatte bisher das Consolament nicht empfangen. Alle Blicke hingen an ihr, sahen jenes Leuchten, das aus den Tiefen ihres Selbst zu kommen schien, und konnten in diesem Augenblick tatsächlich glauben, dass nun ein Schimmer himmlischen Lichts sie erfüllte. Nun folgte Aude de Fanjau, die
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