Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
Hinterkopf traf. Dann wurde es finster, und Berengar stürzte wie
ein gefällter Baum zu Boden.
*
›Haus der sieben
Sünden‹, eine Stunde vor Mitternacht
Wie immer, wenn er seine Strafe empfangen hatte, lag
er noch eine Weile regungslos am Boden, die Arme weit von sich gestreckt und
den blutüberströmten Rücken von Striemen überzogen. Es war der Moment, nach dem
er sich am meisten sehnte, mehr als nach irgendetwas anderem auf der Welt. Ließ
der Schmerz erst einmal nach, würde er den gerechten Lohn für sein Martyrium
empfangen. Dann, und nur dann, stellte sich bei ihm ein Wohlgefühl ein, das mit
nichts auf der Welt zu vergleichen war. Dann hatte er das Gefühl, es mit
jedermann aufnehmen zu können.
Wer immer es wagen würde, sich ihm in den Weg zu
stellen, würde wie ein Insekt vom Angesicht der Erde getilgt. Genauso wie der
tumbe Haudegen von vorhin, kein Gegner für jemanden wie ihn.
So wahr er ein Krieger des Herrn war.
Als die Tür seiner Kammer ins Schloss fiel, richtete
er sich leise ächzend auf und kroch hinüber zum Bett. Die Wunden auf seinem
Rücken schmerzten so heftig wie noch nie. Aber das spielte keine Rolle.
Schließlich hatte er es so gewollt.
Unter Aufbietung all seiner Kräfte erreichte er
schließlich sein Lager, ein paar löchrige Strohsäcke und eine Wolldecke, auf der
es vor Läusen, Wanzen und anderem Ungeziefer nur so wimmelte. Alles andere als
einladend, war es unter den gegebenen Umständen jedoch seine Rettung. Der knapp
24-jährige Mann mit der dunklen Maske biss die Zähne zusammen, klammerte sich
an die Bettkante und richtete sich leise ächzend auf. Dann legte er die
Handflächen aneinander und sprach ein Gebet. Erst danach hievte er sich mit
letzter Kraft auf das Bett hinauf, streifte seine Maske ab und schlief sofort
ein.
Als es Mitternacht schlug, wachte er plötzlich auf. In
der Kammer nebenan war das laszive Kichern einer Frau und das schwerzüngige
Lallen eines offenbar nicht mehr ganz nüchternen Mannes zu hören. Der junge
Mann schloss die Augen und krallte sich so verbissen am Bettrahmen fest, dass
er das sündhafte Treiben glatt vergaß.
Kurz darauf bemerkte er, wie sich die Türklinke
langsam nach unten bewegte. Normalerweise wäre er auf der Hut gewesen, aber da
er wusste, dass es nur eine Person gab, die sein Refugium im ›Haus der sieben
Sünden‹ kannte, bestand kein Anlass zur Sorge.
»Bist du es, mein Sohn?«, hörte er eine brüchige, von
Alter, Mühsal und Kummer kündende Stimme sagen.
»Ja, Mutter!«, antwortete er mit spürbarer
Erleichterung. »Hier drüben – auf dem Bett!«
Er hörte das Klappern ihres Gehstocks, den schleppenden
Gang ihrer Schritte. Fast vierundneunzig und so gut wie blind, fiel es ihr
begreiflicherweise schwer, sich zurechtzufinden, und bis sie sein Lager
erreicht hatte, verging eine halbe Ewigkeit. Aber dann, als er ihre knochigen
Hände auf seiner Wange spürte, war auf einmal alles wieder gut.
Trotz ihres hohen Alters sank die Greisin in der
Tracht der Benediktinerinnen von St. Afra zu Würzburg neben dem Bett auf die
Knie und sprach ein Gebet. Dann umklammerte sie ihren Stock, richtete sich
wieder auf und ließ sich mit einem lauten Seufzer auf der Bettkante nieder.
Die Ordensfrau sprach kein Wort. Wichtiger noch, sie
stellte keinerlei Fragen. Sie war einzig und allein des jungen Mannes wegen
hier. Für sie war er ihr Sohn, wenn schon nicht im wortwörtlichen, so doch im
übertragenen Sinn. Seit fast 24 Jahren, quasi von Geburt an, hatte sie sich um
ihn gekümmert. Und würde es auch weiterhin tun. Egal, was passierte.
Es dauerte nicht lange, und der junge Mann begann die
heilende Kraft ihrer Hände zu spüren. Mit der Wundsalbe, welche sie nebst
weiteren Arzneien, Tinkturen und Pulvern in der abgenutzten Ledertasche bei
sich trug, wirkte die Greisin wahre Wunder, und die Lebensgeister ihres
Patienten kehrten allmählich wieder zurück.
Nach getaner Arbeit, als die Schmerzen verebbt und die
Wunden des Mannes mit Leinenbinden umwickelt waren, packte die Greisin wieder
ihre Siebensachen. Jeder Handgriff saß, und dies, obwohl sie fast blind und das
Refugium des jungen Mannes nur mehr notdürftig von einem qualmenden Klumpen
Unschlitt erhellt worden war.
Wie immer tat Schwester Serafina ihre Pflicht, und am
heutigen Tag tat sie mehr als das. Sie linderte die Qualen einer gepeinigten
Seele, wenn auch nur für kurze Zeit. Das war sie ihrer inneren Stimme schuldig.
Und dem Knaben, der vor mehr als zwei
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