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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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seiner
schäbigen Bettstatt zu erheben, lag er eine Weile wie in Trance. Dann aber, als
die ersten Sonnenstrahlen sein ausgemergeltes Gesicht streiften, wurde er
allmählich wach. Bis ihm bewusst wurde, an welchem Ort er sich befand,
verstrich reichlich Zeit, aber dann, beim Morgenläuten, streifte sein Blick den
goldenen Ring an seiner Hand, und er stemmte sich mit einer fast
übermenschlichen Kraftanstrengung von seinem Lager empor.
    Eine Weile saß er regungslos, aber auch im Sitzen
klangen seine Schmerzen nicht ab. Es war, als wüte ein Dämon in seinem Leibe,
eine gefräßige, sämtliche Gliedmaßen zerfressende Hydra, ein schleichendes
Gift, dem kein Mensch, auch er nicht, auf Dauer gewachsen war.
    Während er so dasaß, schwer atmend und
schweißüberströmt, nur mehr Haut und Knochen und ein Schatten seiner selbst,
zogen ein bald schneller, bald langsamer werdender Strudel von Bildern vor
seinem inneren Auge vorbei. Bilder, die ihm vertraut, aber auf eigentümliche
Weise fremd geblieben waren.
    Da war zum einen jene römische Hure, bei der er sich
angesteckt und das ihm auferlegte Gelübde auf das Widerwärtigste gebrochen
hatte. Ein Verrat an seinem Orden und dem Heiligen Vater, dem zu dienen er bis
in den Tod gelobt hatte. Nicht zuletzt aber auch Verrat an sich selbst. Und da
war sein Auftrag, den zu erfüllen er mehr denn je gewillt gewesen war. Wäre da
nur dieser Agilulf nicht gewesen. Dieses hintertriebene, mit allen Wassern der
Gosse gewaschene Stück Dreck, das sich angemaßt hatte, ihn, einen Krieger des
Herrn, hinters Licht zu führen. Ein bloßer Zufall, dass er ihm auf die Schliche
gekommen war. Aber einer, der ihn das Leben kosten sollte, das eigene und das
seiner Frau, die nicht hatte preisgeben wollen, an welchem Ort sich die Beute
aus seinem Raubzug befand. Die Schädel der drei Heiligen, die es um jeden Preis
aufzuspüren galt. Um jeden Preis. Und sei es um den des eigenen Lebens, das,
wie ihm immer deutlicher klar wurde, nicht mehr lange dauern würde.
    Hatte er da eben jemanden auf der Treppe gehört, oder
spielten ihm seine Sinne einen Streich? Der junge Mann lauschte angestrengt auf
den Gang hinaus. Doch da war nichts. Nur dieser durchdringende, ständig lauter
werdende Pfeifton in seinem Ohr. Der junge Mann presste die Handflächen gegen
die Schläfen, mit aller Gewalt, aber ohne Erfolg. Das Pfeifen, schrill und
nervenzerfetzend, fegte wie ein Orkan durch die Windungen seines Gehirns und
riss auch noch die letzte Spur eines klaren Gedankens mit sich fort. Er musste
die Augen schließen, sonst wäre er auf der Stelle verrückt geworden.
    Aber war er das nicht schon längst?
    Er stöhnte leise auf. Nein, das konnte, das durfte einfach
nicht sein. Er hatte eine Mission zu erfüllen. Und nichts, auch nicht die
Tatsache, dass sich sein Geist allmählich zu verwirren begann, würde ihn daran
hindern. Das Fieber nicht und auch nicht das dumpfe Gefühl, langsam, aber
sicher von innen her zu verfaulen. Er würde den Auftrag erfüllen, so wahr er
ein Krieger des Herrn war.
    Während er so dalag, die Ellbogen auf die Strohsäcke
gestützt, auf denen es vor Ungeziefer nur so wimmelte, wurde es draußen
allmählich Tag, und wie um sich der eigenen Existenz zu versichern, robbte er
Zoll um Zoll an die Bettkante heran, ließ den Arm auf den Boden baumeln und
tastete wie entfesselt die Dielenbretter ab. Einen Moment lang sah es so aus,
als ließen ihn seine Kräfte endgültig im Stich, aber als seine Hand unter dem
Bett auf eine in Schweinsleder eingebundene Mappe stieß, ließ er sich mit einem
Seufzer der Erleichterung zurück auf sein Lager sinken.
    Eustachius von Marmelstein. Ein treuer Diener seines
Herrn. Biegsam wie Wachs, vor allem, wenn es darum ging, sein eigenes süßes
Geheimnis zu wahren. Dafür würde er alles tun, Verrat mit inbegriffen. Die
hageren, von Bußübungen und Siechtum gezeichneten Züge des jungen Mannes
verformten sich zu einem zynischen Lächeln. Die allergeheimsten, den Handel mit
Reliquien betreffenden Unterlagen in die Hand zu bekommen, war ein Kinderspiel
gewesen. So leicht, dass er anfangs dachte, sein Erzrivale aus dem Domkapitel
habe ihn hinters Licht geführt.
    Doch dem war nicht so. Er hatte sie alle in der Hand.
Wer immer Agilulfs Handlanger waren – er würde sie aufspüren und zur Strecke
bringen. Und wieder in den Besitz der Schädel der drei irischen Wanderprediger
gelangen.
    Und zwar der echten.
    So wahr er ein Krieger des –
    »Du kommst spät.« Die Frau,

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