Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)
fassen kriegen. Bevor sie noch mehr Unheil
anrichten kann.«
»Was ist er eigentlich für ein Mensch?«
»Der Abdecker?« Kaum waren ihm die Worte über den
Lippen, fuhr Wigberts Pranke ruckartig an den Mund und er sah sich wie ein
ertappter Dieb um. Erst als er sich vergewissert hatte, dass ihn niemand
beachtete, wandte er sich wieder Bruder Hilpert zu und tuschelte in
verschwörerischem Ton: »Besser, Ihr nehmt seinen Namen nicht allzu häufig in
den Mund, Bruder! Wenn nicht, bekommt Ihr vielleicht ein Messer zwischen die
Rippen!«
»Mit anderen Worten: ein Mann, vor dem man sich in
Acht nehmen muss.«
»Und ob! Zumal er der Mann ist, bei dem alle Fäden
zusammenlaufen. Zumindest, was den Handel mit Reliquien betrifft.«
»Also so etwas wie eine Schlüsselfigur.«
»Ihr habt es erfasst. Müsste mich wundern, wenn er
nicht jede Menge Dreck am Stecken hat.«
»Und was weißt du sonst noch über ihn?«
»Nicht viel mehr, als mein Bruder – Verzeihung,
Halbbruder! – hin und wieder so durchblicken ließ.«
»Als da ist?«
»Da wäre zum einen seine Herkunft«, dozierte der Zwerg
und zwirbelte an seinem Bart. »Wie sein Spitzname schon sagt, bestand seine
Aufgabe darin, sich um Tierkadaver zu kümmern – die herrenlosen allzumal. Ein
armes Schwein also, dessen Gesellschaft man tunlichst mied. Und ein verkommenes
noch dazu. Ohne Dach über dem Kopf. Hat sich sozusagen über die Runden
gebettelt, vor allem bei Euren Brüdern im Bronnbacher Hof.«
»Was jedoch nicht von Dauer war, wie sein
kometenhafter Aufstieg beweist.«
Wigbert lächelte amüsiert. »In der Tat!«, stimmte er
Bruder Hilpert zu. »Und das alles nur, weil er die Tochter vom alten Büttner
geschwängert hat. Eine echte Leistung, wenn man bedenkt, dass sie schon weit
über 30 und so hässlich wie eine alte Schindmähre war. Na ja, sei’s drum: Dem
alten Büttner, mithin der reichste Weinhändler in der Stadt, kam die Sache
gerade recht. Obwohl man sich hinter vorgehaltener Hand halb krummgelacht hat.
Der Abdecker und Büttners Lieschen – muss man sich mal vorstellen!«
»Will heißen, er war erheblich jünger als sie.«
»Volltreffer! Das war jedoch längst nicht alles.« Ein
Blick über die Schulter, dann bleckte der Zwerg die Zähne und fuhr in
anzüglichem Tonfall fort: »Dazu muss man wissen, dass die schöne Anneliese – so
ihr richtiger Name – das einzige noch lebende Kind vom alten Büttner war. Und
der, schon ein wenig senil, fühlte sich durch den edlen Ritter aus der Gosse
irgendwie an seinen Sohn erinnert, der mit 16 im Main ertrunken ist.«
»Weshalb er einen Narren an ihm gefressen und ihn an
Kindes statt angenommen hat. Um seiner Tochter die Heirat mit einem mittellosen
Tagelöhner zu ersparen. Damit sozusagen alles seine Richtigkeit hat.«
Jetzt war Wigbert wirklich verblüfft
und konnte sich einer gewissen Hochachtung gegenüber dem Mönch mit der
ergrauten Tonsur nicht erwehren. Ein Grund mehr für ihn, ihm zu vertrauen und
sogar so etwas wie Sympathie für ihn zu empfinden. »Kompliment, Bruder!«,
machte Wigbert aus seiner Bewunderung keinen Hehl. »Sich mit Euch zu unterhalten,
ist wirklich der Mühe wert.«
»Und weiter?«
»Wie dem auch sei – die Tatsache, dass sich einer, der
nicht mal Steuern zahlen muss, die reichste Erbin der Stadt geangelt hat, war
natürlich lange Zeit Gesprächsthema Nummer eins. Ist ja wohl klar.«
»Und dann?«
»Dann ist der alte Büttner urplötzlich in die Kiste
gehüpft. Obwohl er an sich noch recht bei Kräften war.« Wigbert machte ein
nachdenkliches Gesicht und trippelte verlegen hin und her. »Egal, was der Grund
war – von dem Tag an war der Ab…«
»Wie ist denn eigentlich sein Name?«
»Sein richtiger, meint Ihr? Keine Ahnung. Mir
jedenfalls ist er nur unter seinem Spitznamen bekannt.« Wigbert zog seine
Kapuze über die Stirn, schielte zuerst nach rechts, dann nach links und raunte
Bruder Hilpert zu: »Glück für ihn, dass sich sein Vermögen binnen kürzester
Zeit um ein Vielfaches vermehrt zu haben scheint. Zumal er seine Kontakte aus
der Zeit vor seiner Heirat niemals abreißen ließ. Kontakte, welche man unter
seinesgleichen wohl kaum zu unterhalten geruht.«
»Kontakte zu Kriminellen?«
»Das habt Ihr gesagt, Bruder!«, feixte der Zwerg. »Und
dabei natürlich wieder einmal ins Schwarze getroffen. Kurzum: Kein Jahr war
vergangen, und schon kamen Gerüchte auf, er mische bei allerlei zwielichtigen
Geschäften mit.«
»Per exemplum beim Handel mit
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