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Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Die Kiliansverschwörung: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Uwe Klausner
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Reliquien.«
    »Exakt. Der Punkt, an dem mein verstorbener Bruder die
Bühne betritt.« Ohne Rücksicht auf seinen Gesprächspartner kaute Wigbert an
seinen verdreckten Fingernägeln herum, fuhr dann aber fort: »Hin und wieder hat
der gute Agilulf etwas durchblicken lassen. Nicht eben viel, aber immerhin.
Soweit ich weiß, hat ihn der Abdecker regelmäßig mit neuer Ware versorgt. Keine
Ahnung, wo er sie hergezaubert hat. Fest steht jedenfalls eins: Er musste sie
dem Abdecker abkaufen. Für einen horrend hohen Preis. Sonst hätte er seinen
Stand vor dem Dom glatt vergessen können. Und den nächsten Tag nicht mehr
erlebt.«
    »Höchste Zeit, der Angelegenheit auf den Grund zu
gehen!«
    »Tut das, Bruder!«, flüsterte der Zwerg. »Tut das!
Aber wenn, dann beherzigt wenigstens meinen Rat.«
    »Und der wäre?«
    Wigbert trat Bruder Hilpert fast auf die Sandalen und
zog ihn bis auf Ohrenhöhe zu sich hinab. Dann wisperte er: »Nehmt Euch in Acht,
Bruder! Der Kerl ist verdammt gefährlich. Und zu allem fähig. Euch ein Messer
zwischen die Rippen zu stoßen, würde ihm nicht das geringste Kopfzerbrechen
bereiten! Und nun – Gott befohlen!«
    Noch ehe Bruder Hilpert antworten konnte, riss Wigbert
seine Filzkappe vom Kopf, machte eine theatralische Verbeugung und war kurz
darauf in der Menge verschwunden.
     
    *
     
    Neumünster, eine
Viertelstunde später (11.00 Uhr)
     
    Auf dem Kürschnerhof, Vorplatz der Neumünsterbasilika,
hatte sich eine unübersehbare Menge von Pilgern versammelt. Die Luft roch nach
Aufruhr, und die sengende Hitze trug das ihre zur gereizten Stimmung bei. Das
Kirchenportal, über dem sich eine Rosette aus regenbogenfarbenem Glas mit einem
Medaillon der Muttergottes befand, war von einer Schwadron bischöflicher
Kriegsknechte umlagert. Für den Fall, dass die allgemeine Verbitterung in
Gewalt umschlagen würde. Mit jedem Pilger, Gaffer oder Müßiggänger, welcher zur
aufgebrachten Menge stieß, wuchs das Gedränge. Wann die ersten Steine fliegen
würden, war nur eine Frage der Zeit.
    Bis sich Bruder Hilpert zum Portal durchgezwängt hatte,
verging fast eine halbe Stunde. Eine Prozedur, die nicht ohne Rippenstöße,
unflätige Bemerkungen oder obszöne Zurufe abging. Bruder Hilpert indes stellte
sich taub und ging sämtlichen Anfeindungen aus dem Weg. Wenn er momentan etwas
nicht gebrauchen konnte, dann Hader und Zank. Er hatte weit Wichtigeres zu tun.
Und so redete er mit Engelszungen und setzte seinen Weg durch die Menge mit
unbeirrbarer Zielstrebigkeit fort.
    Kurz vor dem Portal, wo die Kriegsknechte alle Hände
voll zu tun hatten, die aufgebrachte Menge auf Distanz zu halten, war für
Bruder Hilpert jedoch Schluss. Ein Metzgergeselle, der das Wappen seiner Zunft,
zwei gekreuzte Beile, auf der Schürze trug, verschränkte die Arme und baute
sich drohend vor Bruder Hilpert auf. Er hatte das Gesicht eines Kleinkindes,
und mit seinem Verstand verhielt es sich ebenso, wie der sich nun anbahnende
Disput bewies: »Wohin des Wegs, Pfaffe?«, röhrte er wie ein Hirsch, der
Aufmerksamkeit der Umstehenden sicher. Mit derlei Anfeindungen bestens
vertraut, sah sich Bruder Hilpert rasch nach allen Seiten um, nur um sich von
einer finsteren Rotte von Tagelöhnern, Marktweibern und Fuhrknechten umringt zu
sehen. Ihren Gesichtern nach zu urteilen, waren sie nur auf eines aus: Streit.
    Danach war Bruder Hilpert freilich nicht zumute.
»Wohin ich will?«, fragte er mit einer Naivität, die an sich schon eine
Provokation darstellte. »Zum Grab des heiligen Kilian – wohin denn sonst, mein
Sohn?«
    »Da bist du aber auf dem Holzweg, Kuttenbrunzer!«,
geiferte eine grell geschminkte Dirne, die zehn Ellen gegen den Wind nach
Zwiebeln roch. »Wie du siehst, ist die Kirche nämlich zu!«
    »Ach, ist sie das?«, fuhr Bruder Hilpert mit seiner
Hinhaltetaktik fort, wohl wissend, dass dies nicht lange gut gehen würde.
    »Ja, ist sie!«, setzte ein buckliger Tagelöhner
pflichtschuldig nach. »Und zwar schon seit gestern früh!«
    »Und weshalb?« Angesichts dessen, was er in den
letzten drei Tagen erlebt hatte, kam sich Bruder Hilpert mit seiner Replik
reichlich albern vor, weshalb er sich ein Grinsen nur mit Mühe verkneifen
konnte. Das Lachen sollte ihm denn auch prompt vergehen.
    »Jetzt stell dich doch nicht dümmer, als du bist!«,
polterte der Metzgergeselle, während sein Adamsapfel wie eine Marionette zu
hüpfen begann. »Weiß ja wohl jedes Kind, was vorgestern passiert sein soll!«
    »Bedaure –

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