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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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ordentlich. Da konnten ja nicht einmal die vier Mark helfen, die unten im Hof vergraben lagen.
     
    Pauls Mutter schluchzte.
     
    »Ich sag' Ihnen das im guten«, sagte der Beamte von der Behörde. »Gehen Sie ins Familienasyl und lassen Sie das Zeug fahren. Was wollen Sie mit den alten Klamotten? Ist überall der Holzwurm drin. Ich lass' das Bett und das Kochgeschirr da, und nun ziehen Sie ab. Melden Sie sich im Asyl.« Dabei winkte er schon den zwei Männern, die noch unten im Hof standen. Sie sollten heraufkommen und ausräumen. Aus den anderen Türen kamen die Nachbarn gelaufen und blieben stehen. Alle hatten sehr ernste Gesichter und tuschelten miteinander. Sie gingen zu Frau Richter, bedauerten sie, gaben gute Ratschläge und wollten ihr helfen. Aber sie hatten alle selber nichts.
     
    Als die Männer ins Zimmer traten und die Möbel zusammentrugen, schoben sich die Nachbarn mit drohenden und zornigen Bemerkungen dazwischen. »Schämen sollt ihr euch, arme Leute aus der Wohnung zu setzen«, riefen sie zu den packenden Männern hinüber. Paul fing vor Schreck an zu heulen. Aber vielleicht nur, weil seine Mutter weinte, und weil alles so aufregend war. Die Männer hoben den Tisch auf ihre Schultern. Ohne zu fragen. Ohne daran zu denken, daß man so einen Tisch doch braucht, um daran zu essen oder Schularbeiten zu machen. Sie schleppten ihn die Treppe hinunter. Es blieb nicht bei dem Tisch. Die Nähmaschine trugen sie auch fort. Die Betten wurden in einen Sack gesteckt.
     
    »Die bleiben hier!« schrie Frau Richter, »rühren Sie mir die Betten nicht an!«
     
    Sie stellte sich schützend vor die rotkarierten Betten und Decken.
     
    »Wollen Sie denn, daß wir erfrieren?«
     
    Die Männer brummten etwas von »Dalassen« und nahmen statt dessen etwas anderes.
     
    Es dauerte gar nicht lange, da war die Stube ausgeräumt. Es gab ja nicht viel darin.
     
    Paul schluchzte noch immer. Es war zu traurig. Niemand kümmerte sich um ihn. Sein Vater schimpfte mit den Beamten und drohte und fluchte. »Das wird schon einmal alles anders werden«, rief er. »Man wird alles verändern. Wartet nur, bis der Hitler und die Revolution kommt.«
     
    Erwin schlich sich in den Hof. Er hatte seine eigenen Gedanken. Gottes jämmerlich war ihm dabei. Am liebsten hätte er mitgeheult. Nun war alles aus. Paulchen kam ins Asyl. Weit weg von ihrer Straße. Weiß der Kuckuck, wo das Asyl liegen mochte. Am Ende konnte er auch gar nicht mehr in ihre Schule kommen. Und das mit dem Fußball und ihrem Geheimbund war aus. Was nützten ihm noch die vier Mark, die unter den Pflastersteinen des Hofes lagen! Da hatten sie sich gequält und abgehetzt. Oben im Haus schmissen sie die Türen zu. Herr Richter schimpfte noch immer mit den Männern. Draußen auf der Straße verschnürten die Träger die alten Sachen und zogen den Wagen fort.
     
    Durch die offenen Fenster sah Erwin Paulchen mit seiner Mutter und seinen Schwestern im ausgeräumten Zimmer neben einem Stoß Federbetten und einigen Kochtöpfen stehen. Das hatte man ihnen gelassen. Jetzt ging der Hausverwalter zu ihnen. Nein, Erwin wollte von dem Fußballgeld nichts mehr wissen. Die Welt war zu traurig.
     
    Er sah sich um, ob der Hof leer war und ob ihn niemand beobachtete. Dann eilte er in die Ecke, in der das Geld lag. Er hob die Pflastersteine auf, wühlte die Erde hoch, bis er an seinen Beutel kam und lief mit ihm zur Kellertreppe. Dort reinigte er den Beutel von Erde und Schmutz und ließ das Geld an seinem Ohr klappern. Im Schein der Hoflaterne überprüfte er die Kupferpfennige, die Fünfer und Zehner. Ein Fünfziger war auch darunter. Er wußte noch genau, wie die Dame ausgesehen hatte, die ihm den gegeben hatte. Er lief zu Richters.
     
    »Paulchen, Paulchen!« rief er und winkte durch die Flurtür, um Paul aufmerksam zu machen.
     
    Paul half gerade der Mutter Kleiderstücke zusammenschnüren. Er kam näher. »Was denn? Wir gehen fort, ins Asyl!« Paul sah Erwin gar nicht an, er hätte sonst gleich wieder losgeheult.
     
    »Das macht ja nischt. Ihr kommt auch wieder. Wo doch dein Vater bald wieder Arbeit findet. Mein Vater hat erst gestern gesagt: ›Im Frühjahr wird's besser.‹ Überhaupt, sie sagen ja auch, bald gibt's die Revolution. Dann wird alles besser. Heul man nich!«
     
    »Ich heul' schon gar nicht mehr. Nicht etwa, daß du denkst.«
     
    »Und hier.« Erwin drückte ihm den Beutel in die Hand. »Du weißt schon; unser Geld. Det mit dem Fußball ist ja nun doch nischt.

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