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Die Kinder aus Nr. 67

Die Kinder aus Nr. 67

Titel: Die Kinder aus Nr. 67 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lisa Tetzner
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ich mich nicht rein.«
     
    »Weiß ich nicht«, antwortete Paul. »Er hat ja aber gesagt, das is unsre Sache, wie wir damit fertig werden und wie wir det machen. Und das sagt mein Vater auch immer.«
     
    An der gegenüberliegenden Ecke stand die Clique. Sie waren von ferne gefolgt und hatten neugierig gewartet. Nun nahmen sie Paul und Erwin in die Mitte und zogen heim.
     
    Der lange Heiner triumphierte. »Hab' ich euch gleich gesagt. Fußball spielen ohne richtigen Fußballplatz is nich so einfach.«
     
    Er benutzte die Gelegenheit, die Clique für seinen Sportverein zu überzeugen. Das wäre das rechte.
     
    Paul aber hielt eine Rede für die Revolution, wie er es von seinem Vater gehört hatte. Dann würden statt Cafés und Zierparks überall Sport- und Spielplätze für die Kinder der Arbeiter gebaut werden. Dann, ja dann.
     
    Der schwarze Willi unterbrach ihn. »Pust dir doch nich so auf, Mensch. In der Großstadt, und noch dazu im Hinterhof, kannst du nichts anderes machen als Messerstechen, mit den Murmeln spielen, ein bißchen über den Kehrichteimern rummeln oder zwischen den Obst- und Gemüsewagen bei der Markthalle Klamauk machen. Uns werden sie überall wegjagen.«
     
    Erwin aber dachte: ›Das ist alles Quatsch. Das muß doch zu ändern sein!‹
     
    Sie kamen in ihren Hinterhof zurück und setzten sich vor die Haustür neben die Bordschwelle. Sie waren alle mutlos und mißmutig. Frau Manasses Katze kam auf sie zuspaziert. Willi und Heiner zogen kleine Steine aus der Tasche und zielten nach ihr. Aber Erwin schlug sie ihnen aus der Hand. »Laßt det«, sagte er. »Denkt lieber nach, wie man det ändern kann.«
     
    »Was willst du denn ändern?« fragte Heiner und lachte.
     
    »Wir müssen uns beschweren.«
     
    »Beschweren?«fragte Paul und sah Erwin erstaunt an. Er verstand nicht, wo Erwin sich beschweren wollte.
     
    »Jawohl«, sagte Erwin noch einmal, »das müßte man.«
     
    Der schwarze Willi lachte. Er tippte sich an die Stirn. ›Erwin ist ein bißchen verrückt geworden‹, dachte er.
     
    »Und überhaupt«, fragte Paulchen neugierig, »weswegen willste dir denn beschweren?«
     
    Aber jetzt schrie Erwin geradezu. »Weswegen? Na, det nirgends für uns wat da ist. Det wir keinen Platz zum Spielen haben. Irgend so eine kleine Stelle, wo sie einem nicht wegjagen können, wo kein Schupo und kein Auto und rein gar nichts da ist, wo man mal ein bißchen Ball spielen kann.«
     
    »Gibt ja Fußballplätze, und ich hab's ja schon gesagt.«
     
    Aber Erwin unterbrach Heiner. »Hör doch auf mit deinem Verein. Warum vernageln sie die leeren Bauplätze, warum bauen sie überall Kinos und so Zeug drauf. Warum verbieten sie uns die grünen Grasplätze?«
     
    »Weil det dann schöner aussieht«, murmelte Willi.
     
    »Schöner?« Erwin zuckte die Achseln. Dann schwieg er mißmutig. Die anderen sagten auch nichts. Teils ärgerten sie sich, teils dachten sie nach.
     
    Paulchen war der erste, der wieder davon anfing. »Es ist schon richtig«, sagte er, »was der Erwin will. Wir müßten eine Eingabe machen, so einen richtigen Protest. Mein Vater sagt auch immer: Nichts gefallen lassen! Vielleicht im Reichstag«, setzte er hinzu.
     
    Erwin sprang auf. »Nichts mit Reichstag«, sagte er. »Ich weiß schon. Wir schreiben einen Brief an den Bürgermeister.«
     
    »Na und?« fragte Heiner neugierig.
     
    »Und dem sagen wir alles. Über den steht ja immer in der Zeitung, daß er für das Wohl der Stadt sorgen muß. Vielleicht kann der det ändern.«
     
    Die Clique betrachtete Erwin und staunte. Aber dann dachten sie alle: Warum sollten sie nicht einen Brief an den Bürgermeister schreiben? Das wäre sogar eine großartige Sache. Sie konnten es auf alle Fälle versuchen.
     
    »Aber hast du auch einen Briefbogen?« Paul war etwas ängstlich. Er wußte nicht recht, woher Erwin so viel Mut nahm.
     
    »Brauch' ich ja gar nicht«, sagte Erwin. »Ich nehme eine Seite aus meinem Schreibheft.«
     
    Er wartete nicht einmal bis zum nächsten Tag. Nein, er wollte es gleich tun. Denn jetzt hatte er gerade Mut und Lust dazu. Der Brief war aber nicht leicht. Sie wußten erst gar nicht, wie sie den Mann anreden sollten. Schließlich schrieben sie:
     
    An den geehrten Herrn Oberbürgermeister von hier!
     
    Die Schubo hat uns unsern Fußball wejjenommen! Weil ich die Eier von eine Marktfrau zerschlagen habe und auf einem verbotenen Weg Fußball gespielt habe. Aber ich habe det nur jemacht, weil ich so wütend war,

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