Die Kinder aus Nr. 67
den Ball stoppen wollte. Der Schiedsrichter pfiff, dreimal.
»Tor!« brüllten sie alle und warfen die Arme hoch vor Vergnügen: »Tor! Eins zu null.« »Weiter!« schrie Heiner. »Weiter! Jetzt folgt die Rache!«
Erwin wollte den Ball aufs neue nehmen, da sah er einen Schutzmann mit großen Schritten auf sie zukommen. Galt das etwa ihnen? Schon hob der Grüne warnend die Finger in die Höhe und drohte.
Erwin vergaß den Ball weiterzugeben. Er blieb fragend stehen. ›Wenn der uns jetzt wieder fortschickt‹, dachte er, ›wenn es auch hier verboten ist, dann, dann .. .‹ Er wußte nicht gleich, was es mit dem »Dann« auf sich haben würde. Er hatte nur so im Gefühl — dann würde etwas Schreckliches geschehen. Jetzt war der Schutzmann bei ihnen angelangt.
»Gib den Ball her!« sagte er. »Augenblicklich gib den Ball her. Oder könnt ihr nicht lesen? Wißt ihr nicht, wo euer Spielplatz ist? Das hier ist ein Zierpark.«
»Ach wat, Zierpark«, rief Erwin. »Wir wollen doch auch mal ein bißchen spielen.«
»Ja, und dazu habt ihr hier einen extra eingezäunten Spielplatz.«
»Wat denn, nennen Sie die überfüllte Kinderbewahranstalt mit ihren Sandhaufen einen Spielplatz?«
Erwin wunderte sich selber, woher er den Mut nahm, so zu antworten. Ein Schutzmann war ja immerhin ein Schutzmann. Dieser hatte ihn noch dazu angeredet und streckte drohend die Hand aus. »Du willst wohl noch frech werden, sei froh, wenn ich dich nicht aufschreibe und du keine Strafe zahlen mußt. Gib den Ball her!«
»Das ist mein Ball.«
»Gib den Ball her.«
»Is aber doch mein Ball. Geht Sie ja gar nichts an«, sagte Erwin nochmals. Er nahm sogar den Ball und versteckte ihn hinter seinem Rücken.
Das machte den Schutzmann aber erst recht böse. »Gib augenblicklich den Ball her!« rief er. »Oder hast du ihn am Ende geklaut?«
Die anderen Jungen waren beiseite getreten. Sie sahen erwartungsvoll zu.
In Erwin ging etwas vor. Er dachte: ›Entweder heule ich gleich los oder ich schlage zu.‹ Was anderes fiel ihm in dem Augenblick nicht ein. Der Schutzmann stand so riesengroß und drohend vor ihm.
»Hast du nicht verstanden?« fragte er noch einmal.
»Nirgends lassen sie einen aber auch spielen«, brummte Paul, um seinem Freund Erwin zu Hilfe zu kommen. »Wo sollen wir denn spielen?«
»Gibt schon genug Spielplätze für euch Lausefratzen.« Der Schutzmann lachte, als er Erwin, die Hände in die Hüfte gestemmt, stehen sah.
»So? Wo denn? Wo denn? Zeigen Sie uns die mal«, schrie Erwin mit lauter Stimme, und er stampfte mit dem Fuße auf, aber nur, weil ihm das Heulen immer näher kam.
»Dich habe ich überhaupt nicht gefragt. Sondern du sollst den Ball hergeben.«
Der Schutzmann versuchte jetzt, Erwin zu fassen. »Wenn du nicht gleich den Ball hergibst, kommste auf die Wache und mußt Strafe bezahlen.«
Da packte Erwin eine ungeheure Wut. Jetzt war ihm schon alles gleichgültig. Er hob den Arm und schlug mit seinem Fußball vor Kummer, Hoffnungslosigkeit und Wut auf den Schutzmann vor sich ein.
»Lausejunge!« schrie der Schutzmann. »Das soll dir schlecht bekommen!« Er packte Erwin am Kragen und beutelte ihn hin und her. Mit der anderen Hand versuchte er, den Ball zu fassen.
Jetzt wollte Erwin den Ball in Sicherheit bringen und deshalb warf er ihn in großem Bogen über die Straße bis zu dem Bürgersteig an die Ladenschaufenster. Der Ball flog in die äußeren Auslagen eines Grünzeugladens, und zwar mitten in eine Eierkiste. Erschreckt und schreiend sprangen die Käufer auseinander. Die Ladenbesitzerin kreischte: »Meine Eier, meine Eier!«
Als Erwin den Ball fortgeworfen hatte, war er wie erstarrt. Er vergaß, sich zu befreien und fortzurennen. Er sah den Schutzmann ratlos an. Vielleicht wäre es doch besser gewesen, er hätte losgeheult, anstatt zu hauen. Aber dann schob er den Gedanken mutig beiseite. Heulen war nichts, es war besser zu hauen und sich zu wehren. Im übrigen wollte er ja nur sein gutes Recht: einen kleinen Raum zum Spielen. Dem Polizisten gegenüber hatte er nur seinen Fußball verteidigt. Er ließ sich darum wortlos von ihm an der Hand nehmen und fortführen.
»Ihr anderen könnt gehen«, sagte der Beamte und winkte der Mannschaft. Die trottete flüsternd und erschrocken ab und war froh, wegzukommen. Nur Paul trippelte hinter Erwin her! ›Erwin ist mein Freund und hat mir geholfen, jetzt muß ich
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