Die Kinder aus Nr. 67
und zuckte die Achseln. »Ich werd' mal fragen. Damals, als ich mir das Bein brach, du weißt schon, als wir den Streit um Piddel hatten, da hat sie gesagt, wenn ich schön brav bin und stillhalte, darf ich einen ganzen Tag lang mit den Masken spielen. Det habe ich aber bis heute noch nicht gemacht.«
Paul, die Hände auf dem Rücken verschränkt, kam näher.»Was habt ihr eigentlich?« fragte er.
»Kiek mal an.« Erwin zeigte auf das Bild.
»Na und?« fragte Paul. »Was geht mich der Maskenball an.«
»Wir machen auch einen Maskenball. Und zwar ganz genau so. Nur zum Besten von etwas anderem. Aber von wat sagen wir noch nich! Det is allens eine Überraschung.«
Er winkte Mirjam zur Seite und zog sie mit sich fort. Sie mußte natürlich sofort zu Tante Manasse gehen und sie um die Masken bitten. Paul sollte erst später in den Plan eingeweiht werden.
Das war der Anfang von jenem großartigen Maskenball!
Tante Mathilde ist einverstanden
Es würde viel zu lange dauern, wollte ich erzählen, wie Mirjam die Tante überredete, die Masken auszuleihen. Es währte ohnehin lange genug, und Mirjam fiel es gar nicht leicht.
Sie begann sofort beim Abendessen von der leeren Wohnung zu erzählen, während Tante Mathilde sorgfältig einen Brathering zerlegte. Sie sprach von Pauls verarmten Eltern, die keine richtige, schöne Wohnung mehr besaßen, obwohl doch der Vater wieder arbeiten konnte. Als sie merkte, daß sie auf diese Weise nicht vorankam, fragte sie Tante Mathilde, wie man eigentlich einen Maskenball macht, und wieviel Geld man im allgemeinen damit verdienen kann. Ob es den Masken schadet, wenn man sie einmal benutzt. Ob sie sehr leicht kaputt gingen und wieviel eine einzelne Maske kostet. Ob Tante Mathilde nicht auch manchmal Masken zu halben Preisen ausleihe, oder gar umsonst hergäbe. Ob sie schon einmal auf einem richtigen Maskenball gewesen sei und wieviel Eintritt es dort koste. Sie selbst möchte so schrecklich gern einmal einen Maskenball erleben. Ob Tante Mathilde glaube, daß man hier im Hof Maskenbälle machen könnte.
Schließlich legte Tante Mathilde das Messer hin, schüttelte ärgerlich den Kopf, sah Mirjam erstaunt an und sagte: »Was soll det eigentlich alles? Du fragst mir ja ein Loch in den Bauch. Also, was willste?«
Weil Tante Mathilde ärgerlich aussah, hielt Mirjam den Zeitpunkt für ungünstig, senkte den Kopf und antwortete: »Ach nichts. Nur so.«
Aber fünf Minuten später schämte sie sich ihrer Feigheit und fing von neuem an. Doch erst als sie schon in ihrem Bett lag und Tante Mathilde das Licht löschen kam, sagte sie gerade heraus: »Wir wollen nämlich einen Maskenball geben, die Kinder des Hauses Nummer 67 für die großen Leute. Ein richtiges Wohltätigkeitsfest zum Besten einer bestimmten Sache. Würdest du uns nicht zu ganz billigen Preisen deine Masken umsonst ausleihen, damit die Leute nich vorher ihr ganzes Geld ausgeben? Denn die Leute in Nummer 67 haben doch nich viel Geld. Und was se haben, sollen se für die Wohltätigkeit geben.«
So, nun war es heraus, und sie lauschte angestrengt in die Dunkelheit. Was würde Tante Mathilde wohl dazu sagen? Davon hing alles ab. Mirjam faltete unter der Bettdecke ihre Hände und dachte unaufhörlich: ›Ach, lieber, guter Gott, laß sie bitte ja sagen.‹
Tante Mathilde knipste das Licht wieder an und sagte: »Ich begreife überhaupt gar nichts. Wie wollt ihr denn einen Maskenball geben? Det ist doch keine Angelegenheit für Kinder und überhaupt, schlaf jetzt.«
Das Licht verlöschte, und es blieb eine Weile still. Bald darauf aber begann Mirjam unter der Bettdecke leise und ruckweise zu weinen. Es war nur ein sickerndes Bächlein aus einem leise laufenden Näschen, kurze, ruckartige Atemstöße und Seufzer.
Tante Mathilde knipste das Licht wieder an und kam wie eine Walze auf Mirjams Bett zugerollt.
»Jetzt erzähl mir doch wenigstens mal genau zusammenhängend! Was soll det mit meinen Masken und einem Maskenball?«
Mirjam richtete sich auf und schlang beide Arme um Tante Mathildes Hals. Sie erzählte nun genau, wie sie es sich alles vorgestellt hatten.
»Wir würden's selber vorbereiten. Es müßte bis zuletzt ein großes Geheimnis bleiben. Wir machen eine richtige Illumination und spielen Theater und singen, und alles Geld kommt in eine Kasse. Dafür können Paul und seine Eltern wieder in ihrer alten Wohnung einziehen.«
Tante Mathilde
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