Die Kinder aus Nr. 67
als Abfall wegwirft. Und der Bäcker Hennig könnte Pfannkuchen stiften. Außerdem wohnen dort der lustige Wurstmaxe und der Eisjakob, im zweiten Hof gibt's sogar eine Roßschlächterei. Auch 'ne Kneipe haben wir vorn im Vorderhaus. Wenn der Wirt Holtermann uns vielleicht ein Faß Bier stiften würde! Dann könnte man die Sachen zum Besten der Wohltätigkeitskasse verkaufen.«
Tante Mathilde schüttelt den Kopf. »Det is zuviel«, sagt sie. »Es sei denn, ihr macht det Fest nich nur zu Paulchens Gunsten, sondern zum Besten einer allgemeinen Mieterkasse, die auch den andern Mietern zugute kommen kann. Dann werden alle Leute im Haus mithelfen, denn dann is es ja für alle.«
»Eine Mieterkasse für alle! Herrlich! Und nur det erste Geld bekommen dann Paul und seine Eltern.«
Tante Mathildes Vorschlag wird einstimmig angenommen. Sie beschließen, den Aufruf aufzusetzen, und diesen zu veröffentlichen. Ein kleines leeres Schreibheft wird die Sammelliste. Wally und Lotte werden ausersehen, als Beauftragte des Festkomitees durch den Hausblock zu gehen und die Eintragungen vorzunehmen.
»Aber wie«, fragt Erwin, als diese Fragen gelöst sind, »steht es nun eigentlich mit den Masken? Ich meine: was kosten sie?«
Tante Mathilde denkt nach und macht ein gewichtiges Gesicht. »Nichts«, sagt sie schließlich. »Ich lasse sie mir nach freiwilliger Einschätzung der Betreffenden zu reduzierten Preisen bezahlen, aber alles Geld, was ich dafür bekomme...«
»Geht in die Mieterkasse«, schreien die Kinder, und nun wird die alte, dicke Frau Manasse fast zerdrückt von Kinderhänden und Umarmungen.
Tante Mathilde nickt. Sie schneuzt sich heftig, fuchtelt abwehrend mit den Armen umher und geht mit schaufelnden Armbewegungen durch ihr Zimmer, soweit das möglich ist bei der darin herrschenden Kindermenge. Sie hat ihre eigenen Gedanken dabei. Nie hätte sie es einmal für möglich gehalten, daß die Kinder des Hinterhauses ihr so lieb werden könnten. Vor einem Jahr noch begoß sie Erwin aus Wut mit Kaffee, nur weil er unter ihrem Fenster spielte und lachte. Und jetzt? Jetzt möchte sie nie mehr ohne diese Kinder sein. Ich hab' sie jetzt von Herzen gern und freu' mich, daß sie mich brauchen und daß ich alte Frau zu etwas nutze bin. Es ist viel schöner, sich mit ihnen abzugeben anstatt mit leblosen Masken.
Erwin tuschelt mit den anderen. Sie sind sehr glücklich über so viel Großmut und Hilfsbereitschaft.
»Frau Manasse«, sagt Erwin, »wenn aber bei dem Fest Masken kaputt gehen oder beschädigt werden, dann werden wir sie Ihnen aus der Mieterkasse bezahlen.«
Frau Manasse schmunzelt. »Topp, das gilt. Die besten und wertvollsten Masken werde ich sowieso nicht ausleihen. Ich hab' genug alte, die noch schön und brauchbar sind.«
Mirjam: »Und wer kein Geld hat, der kann sich einen Scheulappen vors Gesicht hängen, um nicht erkannt zu werden.« (Scheulappen nennt Mirjam die kleinen bunten Seidenvorhänge der Gesichtsmasken.)
Wenige Tage später hingen sowohl im Vorderhaus unter dem Toreingang, neben der Haustür — für alle sichtbar — wie in jedem der Hinterhäuser, auch im zweiten Hof, schön geschriebene Plakate. Sie sahen fast wie gedruckt aus.
Die Kinder hatten das Plakat nicht allein gemacht. Vater Brackmann half ein wenig. Sie hatten ihn als männlichen Beirat im Festkomitee aufgenommen.
Vater Brackmann, das wußten alle, steckte immer voll lustiger, unerschöpflicher Einfälle. Er erklärte sich auch gleich bereit mitzuhelfen.
»Aber«, sagte er, »ich übernehme keinerlei Verantwortung. Ich bin nicht dazu da, det ihr die Schuld auf mich schiebt, wenn etwas schief geht. Ich will nur dann und wann wat sagen dürfen. Denn euer Maskenball, det sag' ich gleich als erstes, is ein großartiger Gedanke. Platzen möchte ich vor Kummer und Neid, det ich nicht schon lange auf einen so guten Gedanken kam.«
Das machte alle mächtig stolz.
Vater Brackmann wurde also zweiter Beirat, denn Erwin erklärte: »Mein Vater hält dicht wie ein Gasrohr. Er ist furchtbar nützlich. Ich hab' ihn schon oft ausprobiert.«
Die nächste Beratung fand bei Brackmann statt. Frau Manasse war auch dazu eingeladen. Es war das erstemal, daß Frau Manasse aus dem Vorderhaus, die so vornehm hinter Samtvorhängen auf Polstermöbeln wohnte und die eine richtige Zimmerpalme besaß, obendrein noch zerbrechliche Gipsfiguren auf ihren Kommoden und Regalen, zu jemandem ins
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