Die Kinder aus Nr. 67
Von jetzt an gehörst du zu uns.«
2 - Der Maskenball
Der Maskenball war wundervoll. Das ganze Stadtviertel erfuhr davon und noch lange Zeit später sprachen die Leute darüber. Sie waren sich alle einig, daß es, solange die Häuser hier standen, noch niemals etwas so Schönes gegeben hatte. Wenn die Frauen beim Einkauf in den Läden darüber redeten, wunderten sie sich immer wieder: Und wer hätte gedacht, daß sich das alles nur die Kinder aus dem Hinterhaus ausgedacht hatten, die prachtvolle Illumination, den vielen Spaß, die vielen Überraschungen. Wer hätte für möglich gehalten, daß gar kein richtiges Festkomitee oder so etwas ähnliches dahinter stand, sondern nur Kinder.
Also wirklich, es war fabelhaft!
Aber wir müssen von vorn anfangen und der Reihe nach erzählen. Das großartige Maskenfest begann damit, daß im Hinterhaus h im dritten Stock eine Wohnung frei wurde.
Der Briefträger Lange zog aus, weil er in ein anderes Stadtviertel versetzt worden war.
In seiner Wohnung hatten früher einmal Pauls Eltern gewohnt, bis, zu dem traurigen Tag, an dem der Hauswirt die Familie Richter hinaussetzen ließ, weil sie seit acht Monaten keine Miete bezahlt hatte. Das war nun schon einige Zeit her, und seitdem war vieles anders geworden. Richters hatten erst im Asyl für Obdachlose gewohnt, dann zogen sie in eine Laubensiedlung am Stadtbahndamm. Ihre neue Wohnung war klein und feucht. Die Familie hatte kaum Platz darin. Darum nahm der Bäcker Hennig Paul zu sich und ließ ihn neben der Backstube schlafen.
Als Paul gesehen hatte, daß die einstige Wohnung leer und verlassen stand, war er vorsichtig hinaufgestiegen, hatte die Türen heimlich geöffnet und mit seiner Nase geschnuppert, ob der alte, vertraute Geruch noch darin wäre. Die Wohnung sah schmutzig und verwohnt aus, zerknüllte Papiere und vergessene, liegengelassene Lumpen lagen auf dem abgetretenen Boden. Paul seufzte. Genau so hatte es ausgesehen, als man ihre Möbel forttrug.
Er tappte vorsichtig auf den Zehenspitzen vorwärts. Seine Holzschuhe trapsten, und er kam sich wie ein Einbrecher vor. Da war die Küche und dort das Zimmer. Und hier die Kammer mit dem Oberlicht, das nach dem Luftschacht hinausging und nie Sonne bekam. Eine richtige Dreizimmerwohnung, stellte er fest. Dort stand damals sein Bett. An die Wand dahinter hatte er einmal ein Männlein gemalt und darunter geschrieben: »Willi dieser Esel!« Ob das noch da war?
Richtig! Er fand es wieder. Irgendwer hatte versucht, es auszuradieren, aber es war nicht gelungen. Es war Tintenstift gewesen, und der Hauswirt hatte nicht frisch streichen lassen. Er war sehr geizig. Paul freute sich, als er das vertraute Bild wiedersah.
Ja, das war ihre Wohnung gewesen. Wie schön war es doch, eine richtige Wohnung zu haben. In der Küche tropfte der Wasserhahn. Das hatte er schon zu ihren Zeiten getan. Tapp — tapp. Paul versuchte, ihn fester zu schließen. Drehte ihn auf und zu. Es war ja eigentlich »ihr« Wasserhahn. Wenn sie nur bald wieder in einer solchen Wohnung zusammen vereint wären.
»Hallo! Wer ist da?« fragte plötzlich eine Stimme an der Tür.
Paul schrak zusammen und trat schuldbewußt vor.
»Ach, Erwin, du bist's? Wat willste denn?«
Erwin trat näher. »Ich hörte hier det Wasser laufen und dachte, die Langes hätten vergessen abzudrehen. Was machste eigentlich hier?«
Paul sah sich wehmütig um. »Ich wollte mir bloß mal unsere Wohnung ansehen. Det Männiken, der Willi, is immer noch an der Wand.«
»Richtig, da habt ihr ja mal gewohnt. Hatt' ich schon ganz vergessen.« Erwin sah mitleidig auf Paul.
Dann traten sie beide ans Fenster und sahen in den Hof hinunter. »Es war' schön, wenn du wieder hier wohntest. Da braucht' ich dann nur aus dem Fenster zu winken, oder wir könnten eine neue Seilbahn von unsern beiden Küchen aus bauen.«
Paul nickte: »Unsere Seilbahn war glatt. Dafür hatte der Lange gar kein Verständnis, er hat sie einfach weggerissen.«
»Aber Mensch, ihr könntet doch jetzt die Wohnung wieder haben. Wo sie doch zu vermieten is!«
»Wir haben sicher noch nicht genug Geld.«
»Aber wo doch dein Vater längst wieder Arbeit hat. Ihr könnt doch nicht ewig in dem kleinen Loch bleiben.«
»Det wollen wir auch gar nich! Aber mein Vater sagt, erst will
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