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Die Kinder der Elefantenhüter

Titel: Die Kinder der Elefantenhüter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter Hoeg
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in den Vorratskeller zurück und bewundern noch einmal Mutters technisches Arrangement. Dann fahre ich mit dem Finger über die Stelle, wo die Regalbretter des beweglichen Teils der Wand gleich auf die Regale des festen Teils treffen werden. Genau hier hat unsere Mutter einen letzten Span gehobelt, bevor sie los musste, damit der Raum vor Entdeckungen sicher war.
    Wir schalten die Musik an, Mutter singt »Am Montag. Im Regen. Am Solitudevej«, die Wand senkt sich, gleitet an ihren Platz und nichts ist mehr zu sehen. Die Fugen in den Wandplatten aus weiß gestrichenem Sperrholz sind hinter Regalen und Trägern verborgen, wir sind von andächtigem Respekt erfüllt.
    Aber ich bin noch von etwas anderem erfüllt, das in feineren Kreisen Intuition genannt wird. Eine Intuition ist eine Art Gedanke oder Gefühl, sie kommt von außen, Tilte und ich sind nach gründlichen Untersuchungen der Meinung, dass sie durch den Spalt kommt, wenn die Große Tür eine Ahnung offen steht. Nach unserer Erfahrung müssendie meisten Intuitionen leider als Müll bezeichnet werden, und um zu entscheiden, ob man nicht doch mit einem Leckerbissen dasteht, muss man sie in der Wirklichkeit erproben.
    Also stelle ich die CD noch einmal an, der Regen trommelt, Mutter singt mit schmelzender Stimme, und die Tür geht auf, die Hydraulik ist so leise, sie gibt nicht den kleinsten Mucks von sich.
    Die Idee, die mir von außen gekommen ist, sagt mir, dass Aufräumen, ohne die geringste Spur zu hinterlassen, nicht zu den Stärken meiner Eltern zählt.
    Wenn ich donnerstags meinen gut dotierten Putzjob in der Pfarrküche erledigt habe, brauchte es schon eine ganze Mannschaft von echt seriösen Labortechnikern, um etwas aufzustöbern, was ich übersehen habe, und ich wette acht zu eins, dass sie wieder nach Hause fahren müssten, ohne auch nur ein Reiskorn gefunden zu haben. Selbst Tilte, die mit Zuspruch nicht gerade großzügig um sich wirft, hat man sagen hören, wenn ich einst auf freien Fuß gesetzt werde, würde ich immer einen Job als Putzmann finden.
    Aber bei Mutter und Vater hätten die Labortechniker Erfolg gehabt. Keinen Mistwagen voll, aber irgendetwas würde die Mannschaft schon finden. Bis auf den Grund zu kommen ist nur wenigen beschieden. Und Mutter und Vater gehören nicht zu den happy few .
    Ich stehe wieder in dem kleinen Raum.
    »Mach die Tür zu«, sage ich.
    Tilte versteht nicht ganz, aber sie tut, was ich verlange. Die Wand gleitet an ihren Platz, ich stehe im Mondlicht.
    Ich muss nicht noch einmal mit Suchen anfangen, ich sehe es sofort. Und ich weiß, wie es passieren konnte. Sie hatten es eilig. Alles war eingepackt und stand bereit. Siehaben die Pinnwand geräumt und saubergemacht. Und währenddessen stand die Wandtür zum Vorratskeller natürlich offen. Am Ende haben sie sich umgesehen und sich vergewissert, ob alles weggeräumt war, und dann sind sie hinausgegangen und haben die Tür hinter sich geschlossen. Und eine Kleinigkeit vergessen. Sie haben das Stückchen Pinnwand vergessen, das von der beweglichen Tür verdeckt wird, wenn sie nach oben gleitet.
    Das Stück der Pinnwand habe ich jetzt vor Augen, es leuchtet silbern im Schein des gespiegelten Mondes. Ein Blatt Papier ist daran befestigt.

 
    Wir sitzen am Küchentisch und starren auf den Zettel. Er scheint aus einem Firmenblock gerissen worden zu sein, oben steht in blauem Druck Voicesecurity . Auf dem Blatt stehen drei Notizen untereinander, die beiden ersten mit Bleistift in Mutters Schrift, die dritte mit Kugelschreiber in einer Schrift, die wir im Augenblick nicht identifizieren können.
    Die erste lautet »Bez. G. Gris«.
    »G. Gris« ist aller Wahrscheinlichkeit nach Gitte Grisanthemum, eine Freundin der Familie, die nicht nur die hinduistische Gemeinde auf Finønæs, sondern auch den Hauptsitz der Finø Bank in Nordhavn leitet, und »Bez.« ist Mutters Abkürzung für »Bezahlen«.
    Die zweite Notiz besteht lediglich aus einem Wort, und zwar »Dion«, gefolgt von acht Ziffern, vielleicht eine Handynummer, sowie den Initialen A.W.
    Die Notiz mit Kugelschreiber ist eine E-Mail-Adresse, [email protected].
    Tilte zieht ihr Mobiltelefon aus der Tasche. Sie dreht es in meine Richtung. Auf dem Display steht »A. Wiinglad« und die Nummer, die Bodil anrief, als sie und Katinka und Lars uns eingesammelt hatten und wir zu Folter, Hinrichtung und Internierung ins Store Bjerg gebracht wurden. Die Nummer auf Tiltes Schirm ist mit der auf dem Zettel identisch.
    »A.

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