Die Kinder des Dschinn. Das Akhenaten-Abenteuer
Mumie voneinander Schnappschüsse machten. Rasch drehte er dem Sekhem-Zepter den Rücken zu. »Kannst du noch etwas lauter reden?«, zischte er John zu. »Ich glaube, die Touristen haben dich nicht gehört.«
Prüfend sah er sich im Raum 65 um.
John folgte seinem Blick. »Was suchst du?«
»Ein gutes Versteck für später, wenn wir wiederkommen«, sagte Nimrod.
»Wird die Kamera uns denn nicht sehen?«
»Nein, denn wir werden in einem Gefäß stecken.«
John nickte, als einer der japanischen Touristen eine Flasche Coca-Cola aus dem Rucksack holte und einen Schluck nahm. »Vielleicht in einer Cola-Flasche«, sagte er.
»Ja«, sagte Nimrod zustimmend. »Das würde niemandem auffallen.«
John ging im Raum umher und bückte sich, als wollte er sich eine der Mumien näher ansehen. Doch sein Blick ruhte auf dem Spalt zwischen dem unteren Rand der Vitrine und dem Teppichboden. »Mister Groanin könnte uns in einer Cola-Flasche unter einen dieser Mumien-Kästen stellen«, schlug er vor.
»Ja«, sagte Nimrod nachdenklich. »Das wäre möglich.« Er fuhr mit dem Zeigefinger über die Kante eines Schaukastens und betrachtete den Staub auf seinem Finger. »Nach dem Dreck zu urteilen, könnte es mehrere Tage dauern, bevor eine der Putzfrauen die Flasche findet.«
Er stand auf und rieb sich nachdenklich das Kinn, während er Johns Plan erwog. »Ja«, sagte er dann. »Wir kommen kurzvor fünf Uhr in einer Flasche hierher zurück, bevor das Museum schließt. Mister Groanin wird die Flasche unter diesen armen Kerl hier stellen. Und nach Einbruch der Dunkelheit steigen wir raus und machen uns an die Arbeit.«
John las die Beschriftung auf der Vitrine. »Unbekannter Ägypter von hohem Rang, neunzehnte Dynastie.« Er schüttelte den Kopf. »Irgendwie seltsam, so zu enden. In einem Glaskasten im Museum. Ich glaube nicht, dass mir das gefallen würde. Der arme Kerl hat ja noch nicht mal einen Namen. Und sein Nachbar auch nicht. Eigentlich traurig.«
»Ich finde es scheußlich«, sagte Philippa. »All diese Menschen hatten mal ein Leben. Sie hatten Freunde, Eltern, Kinder. Genau wie wir. Na ja, nicht genau so, aber ihr wisst schon, was ich meine. Es sollte ein Gesetz geben, das so was verbietet.«
»Das wird es sicher eines Tages geben, wenn es nicht schon existiert«, bemerkte Nimrod. »Es scheint in England gegen alles ein Gesetz zu geben – außer gegen Unwissenheit und Dummheit. Aber im Augenblick sind mir die vermissten Dschinn wichtiger als die Menschenrechte dieser alten Knochenbündel. Außerdem glaube ich nicht, dass man sich nach fünftausend Jahren noch groß darum kümmert, wo man gelandet ist. Ich selber würde allerdings immer eine Seebestattung vorziehen, bei der ich von den Fischen gefressen werde. Das scheint mir nur gerecht, wenn man bedenkt, wie viel Fisch ich selber schon gegessen habe. Ach, dabei fällt mir ein: Zeit fürs Mittagessen.«
Nach einem Lunch aus panierten Cornwall-Krabben und Dover-Scholle im Restaurant
The Ivy
, wo Nimrod ein gern gesehener Gast war, kaufte er in einem Haushaltswarengeschäft inSeven Dials eine Lötlampe. Er testete sie an einem Fenster seines Gewächshauses. Außer dem fürchterlichen Gestank nach geschmolzenem Plastik verlief das Experiment einwandfrei. Es dauerte nicht einmal fünfzehn Minuten, bis Nimrod ein tellergroßes Loch ins Fenster gebrannt hatte.
»Hoffentlich haben die Wachleute keine gute Nase«, sagte Philippa. »Es stinkt.«
Gegen drei Uhr nachmittags trank John eine Flasche Coca-Cola, die Groanin daraufhin sorgfältig ausspülte. Die Zwillinge zogen sich so an, wie sie es für einen Einbruch passend hielten (Rollkragenpullover, geschwärzte Gesichter und Rucksäcke). Nimrod, der als einziges Zugeständnis an das Ungesetzliche ihres Unternehmens einen dunkleren Anzug und einen schwarzen Hut mit breiter Krempe trug, ließ sich und die Kinder in der Flasche verschwinden.
»Hier«, sagte er und reichte jedem der Zwillinge eine Kohletablette. »Nehmt lieber eine davon. Es kann sein, dass wir mehrere Stunden hier drin verbringen müssen.« Er lächelte. »Natürlich nur relativ gesehen.«
»Diesen Teil des Dschinn-Daseins mag ich am allerwenigsten«, gab Philippa zu und lief ungeduldig auf dem Flaschenboden umher.
»Du wirst dich noch daran gewöhnen«, sagte Nimrod. »Außerdem – bist du in letzter Zeit zweiter Klasse geflogen? Oder mit der Londoner U-Bahn gefahren? Wenn ihr mich fragt, reist es sich im Inneren einer Cola-Flasche weitaus angenehmer.
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