Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
noch ein paar höheren Gehirnfunktionen. Offenbar war er ein ziemlich guter Organist. Jedenfalls vermute ich, dass sie gut miteinander auskamen. Zumindest bis gestern, als der arme Max plötzlich tot umkippte. Er war einundsechzig, was für einen Gorilla wohl uralt ist. Trotzdem war es für mich eine böse Überraschung, das kann ich euch sagen.« Er schüttelte traurig den Kopf. »Die arme Tante Felicia wird mächtig traurig aus der Wäsche gucken, wenn sie nach Hause kommt.«
»Wo ist sie jetzt?«
»Bei meiner Mutter. Auf der Suche nach mir.«
»Auf der Suche nach
dir
?«, sagte Philippa.
»Das war wirklich nett von Max. Er hat’s kapiert, wisst ihr? Er hat verstanden, dass ich meine Mutter nur in Gefahr bringen würde, wenn ich mit ihr nach Hause fahren würde.«
»Warum erzählst du uns nicht mal, worum es eigentlich geht?«, sagte Philippa. »Am besten von Anfang an.«
»Nachdem wir drei von Fort Benning nach Palm Springs zurückgekommen waren«, fuhr Dybbuk mit seiner Erklärung fort, »hat Mr Blennerhassit die Zeichnungen, die wir in Görings Marschallstab gefunden haben, einem Typen aus einem Museum in Malibu gezeigt. Seiner Meinung nach stammten zwei davon von Leonardo da Vinci, eine von Raffael, eine von Michelangelo und eine von Botticelli. Aber die letzte Zeichnung, ein Aquarell, war aus einer viel späteren Periode und wesentlich weniger wert. Diese Periode wäre zwarnicht sein Fachgebiet, hat er gesagt, aber er halte die Zeichnung für eine Art Company-Bild, was immer das ist. Jedenfalls hat es mir besser gefallen als alle anderen, und da es nicht mehr als fünfzehnhundert Riesen wert war, hatte Mr Blennerhassit nichts dagegen, dass ich es als Souvenir behalte.«
Sie saßen immer noch vor dem riesigen Kamin im großen Wohnzimmer. Das Sofa, auf dem sie sich zusammendrängten, sah aus, als stammte es aus dem Schlafzimmer eines chinesischen Kaisers. Über ihren Köpfen hingen ein Messingkronleuchter von der Größe eines Kinderklettergerüsts und das Bild von Dybbuks Schwester Faustina. Jetzt, wo sie es wusste, konnte Philippa die Ähnlichkeit mit Dybbuk erkennen: das gleiche dunkle Haar, die dunklen Augen, die gleiche helle Haut, die schlanken Klavierspielerhände und die hohen Wangenknochen. Und der gleiche trotzig-verschmitzte Blick.
»Um auf den Typen vom Museum zurückzukommen«, sagte Dybbuk, »der war ein bisschen zurückhaltend, was den Preis für das wertvolle Zeug angeht. Er hat die ganze Zeit nur über die historische Bedeutung gequasselt und dass es unbezahlbar sei. Mir sagt unbezahlbar überhaupt nichts. Also bin ich auf diese Auktionsseite im Internet gegangen, nachdem er fort war, und hab rausgefunden, dass es eine Kopie von Hermann Görings Marschallstab gibt, die zum Verkauf angeboten wird. Und zwar eine exakte Kopie des Stabes, den ich im Militärmuseum von Fort Benning gelassen habe. Mr Blennerhassit wurde fuchsteufelswild, als ich ihm davon erzählt habe. Hat richtig geschäumt. Dann hat er den Juwelier angerufen, der die Kopie angefertigt hat. Einen Kerl namens Hyman Strasberg in New York. Es war klar, dass Strasberg nicht nur eine, sonderngleich zwei Kopien angefertigt haben musste. Und dass er eine für sich behalten hat, um sie später zu verkaufen.
Doch statt Strasberg bekam Harry Blennerhassit irgendeinen New Yorker Polizisten an die Strippe, der ihm erzählt hat, dass Hyman Strasberg tot ist. Und dass er – haltet euch fest – von einer giftigen Schlange gebissen wurde. Harry hat ihm gesagt, wie leid es ihm tut, das zu hören, aber dass er ihm mit dem, was er weiß, wohl nicht weiterhelfen kann. Was ja auch stimmte. Ich meine, es sah doch aus wie ein unglücklicher Zufall. Es ist ja nicht so, dass es in New York keine giftigen Schlangen gibt. Es gibt die Waldklapperschlange, die Zwergklapperschlange und die Mokassinschlange. Okay, ich gebe zu, sie sind nicht gerade häufig, aber es gibt sie. Ich habe sogar hier auf der Insel schon eine Mokassinschlange gesehen. Zumindest glaub ich, dass es eine war.«
Philippa sah sich nervös um. Sie hasste Schlangen fast ebenso sehr wie Fledermäuse und Spinnen. »Du scheinst dich gut mit Schlangen auszukennen«, sagte sie zu Dybbuk.
»Mit Schlangen? Na klar. Ich hab zu Hause eine kleine Schildkrötenschlange, die George heißt. Eine Klapperschlange hatte ich auch mal, aber die ist mir durchs Klo entwischt.«
»Das ist ein beruhigender Gedanke«, sagte Philippa.
»Ich hab Schlangen schon immer gemocht«, fuhr Dybbuk
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