Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
euch beide meinte.«
»Danke für die Blumen«, murmelte John.
»Nichts zu danken.«
»Noch etwas, an das Sie sich erinnern?« Philippa ließ nicht locker. »Rufen Sie sich den Moment ins Gedächtnis, in dem er Ihnen das erzählt hat.« Als sie sah, wie Groanins hängebackiges Gesicht einen verschlossenen Ausdruck annahm, fügte sie hinzu: »Sie könnten in Schwierigkeiten stecken, Mr Groanin. Also ist es vielleicht wichtig.«
»Nun gut.« Groanin schloss für einen Moment die Augen. »Wenn du meinst, dass es hilft.«
»Können Sie ihn vor Ihrem geistigen Auge sehen?«
»Ich muss zugeben, dass mein geistiges Auge in letzter Zeit ein bisschen kurzsichtig geworden ist«, gestand Groanin. »Wartet, da ist noch etwas. Als er mir sagte, dass sie verreisen würden, hielt er etwas in der Hand. Irgendein Plättchen. Mit einer Art Bild oder Symbol drauf.«
»Hat es vielleicht so ausgesehen?« John griff nach Papier und Bleistift und skizzierte in aller Eile das Steinmedaillon, das seine Mutter verschluckt hatte. Groanin öffnete die Augen, setzte seine Brille auf und starrte auf die Zeichnung.
»Das ist es«, sagte er. »Haargenau. Um was geht es hier eigentlich?«
John berichtete ihm von dem Einbruch und dass Mrs Gaunt das Medaillon mit der dschinternen Post an Nimrod geschickt hatte. »Dann können wir vermutlich davon ausgehen«, sagte Groanin, »dass es, wo immer die beiden hingefahren sein mögen, etwas mit diesem Medaillon zu tun haben muss.«
»Umso wichtiger ist es«, fügte Philippa hinzu, »dass wir in Mr Rakshasas’ Lampe schlüpfen und seiner Bibliothek einen Besuch abstatten. Wenn wir etwas über das Medaillon herausfinden, können wir uns vielleicht eher eine Vorstellung davon machen, wohin sie gefahren sein könnten. Und ihnen dann folgen.«
Groanin seufzte. »Ich weiß nicht, ob das eine gute Idee ist«, sagte er. »Schließlich hat der gnädige Herr mir zu meinem eigenen Besten nicht sagen wollen, wo sie hinfahren. Und zu eurem ebenfalls.«
»Ja, aber das war, bevor er von dem Mordanschlag auf Dybbuk wusste«, sagte John. »Er kannte nur die Einzelheiten über den Einbruch in unser Haus. Jetzt bleibt uns gar nichts anderesübrig, als ihm nachzureisen. Solange wir Nimrod und Mr Rakshasas nicht gefunden haben, ist Dybbuk weiter in Gefahr. Und wir vielleicht auch.«
Dybbuk zitterte, aber nicht vor Kälte, sondern vor Angst. Er hatte sich fast an den Gedanken gewöhnt, in Lebensgefahr zu schweben; doch wenn jemand anderes das offen aussprach, bekam er es wieder mit der Angst zu tun, und die Schrecken, die er in Kalifornien erlebt hatte, holten ihn wieder ein. Die Vorstellung, wie Max oder Brad zu enden, war alles andere als verlockend. Sie hatte ihm schon jetzt mehr als genug Albträume beschert.
Inzwischen hatte Groanin eingesehen, dass John und Philippa Recht hatten. Sie mussten einfach in Mr Rakshasas’ Lampe hinein. Aber wie sollte er ihnen dabei helfen? »Lasst mich nachdenken«, sagte er. »Ihr braucht einen Ort, der warm genug ist, um eure Dschinnkräfte zu aktivieren und eine Transsubstantiation durchzuführen, richtig?« Er nickte. »Wenn ich so recht überlege, weiß ich vielleicht genau den richtigen Platz dafür.«
Groanin brachte die drei Dschinnkinder in Nimrods Rolls-Royce zu den Kew Gardens, den nicht unbedingt größten, aber mit Sicherheit ältesten botanischen Gärten der Welt, die vor allem in den Sommermonaten ein beliebter Anziehungspunkt für Londonbesucher sind. Ungefähr in der Mitte der Gärten befindet sich das Palmenhaus, ein viktorianisches Glashaus, so groß wie drei Frachtflugzeuge, in dem man die klimatischen Bedingungen eines tropischen Regenwaldes geschaffen hatte. Mit seiner konstanten Innentemperatur von gut dreißig Gradund der von versteckten Dampfdüsen hochgehaltenen Luftfeuchtigkeit beherbergt das Palmenhaus einen Dschungel aus riesigen Bambusgewächsen, Kaffeesträuchern, Gummibäumen, Bananenstauden und Mangobäumen und duftet beständig nach Mandeln und Schönhäutchen. Natürlich war es dort nicht so heiß wie in einer Sauna oder in einer indianischen Schwitzhütte und schon gar nicht wie in einer Wüste, sodass Groanin und die Kinder fast eine geschlagene Stunde im Palmenhaus zubrachten, ehe die drei jungen Dschinn spürten, wie die Kraft in ihre Knochen zurückkehrte.
»Ich denke, wir sind so weit, Mr Groanin«, erklärte Dybbuk dem Butler.
Groanin nickte, stellte Mr Rakshasas’ Dschinnlampe zwischen eine afrikanische
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