Die Kinder des Dschinn. Das Rätsel der neunten Kobra
bärbeißige Nörgler und Meckerer, an den er sich gewöhnt hatte, war ihm lieber. Fast wünschte er, irgendetwas würde dem neu entdeckten Optimismus und Wohlgefühl des Butlers einen Dämpfer verpassen, die er natürlich beide nur dem dritten von Baron von Renners Notfallwünschen verdankte.
Es zeigte sich jedoch, dass John nicht lange warten musste, denn es klopfte an der Tür und eine große, dünne Frau mithellen Haaren betrat ihre kleine Unterkunft. Sie trug einen Turnanzug und eine zusammengerollte orangefarbene Gummimatte unter dem Arm und verbeugte sich erst vor dem Bild des Gurus, dann vor Groanin und den Kindern.
»Hi«, sagte sie strahlend. »Ich heiße Prudence Crabbe und werde euch Yoga lehren. Wir werden eine Privatstunde abhalten. Nur wir fünf. Um zu sehen, was ihr leisten könnt. Also, wenn ihr mir jetzt bitte zum Yogazentrum folgen würdet. Dann fangen wir an.«
»Ich habe nur einen Arm«, sagte Groanin. »Ich glaube nicht, dass Yoga etwas für mich ist.«
»Unsinn«, sagte Miss Crabbe, die Kanadierin war. »Yoga ist für alle etwas. Sogar für Sie, Sir«, fügte sie ein wenig brüsk hinzu. »Aber keine Sorge. Sie müssen sich beim Yoga nicht irrsinnig verknoten und verrenken.«
Doch wie sich herausstellen sollte, ging es um nichts anderes, und nachdem sie die erste Yogastunde mit Miss Crabbe hinter und noch weitere zwei Stunden vor sich hatten, waren Groanin und die Kinder restlos erschöpft.
»Die therapeutische Wirkung und der Wert des Yoga für sämtliche Lebensbereiche«, rief Miss Crabbe, während sie ihnen half, eine besonders schmerzhafte Position zu halten, »ist inzwischen weithin bekannt.«
Groanin rang keuchend nach Luft, während er versuchte, sich so zu dehnen, wie Miss Crabbe es gerade vorgemacht hatte.
»Es hilft den Menschen, ihre Göttlichkeit zu erfahren und zum Ausdruck zu bringen«, fuhr sie fort.
»Ich lach mich kaputt«, sagte Groanin. »Nicht mal mit Hörnern, Pferdefuß und einer Mitgliedskarte vom Höllenfeuerclubkönnte ich mich weniger göttlich fühlen.« Mit diesen Worten brach er auf seiner Matte zusammen und gab ein lautes, unglückliches Stöhnen von sich, das sich in Johns Ohren schon deutlich eher nach dem Groanin anhörte, den er kannte und liebte. »Ich kann nicht mehr. Ich kann wirklich nicht mehr.«
»Drei Stunden Yoga am Tag sind Pflicht für alle, die im Aschram bleiben möchten«, erklärte Miss Crabbe ohne eine Spur von Mitleid. »Ohne Ausnahme. So lautet die Weisung von Guru Masamjhasara.« Sie drehte sich um und verbeugte sich vor einem weiteren riesigen Porträt des Gurus, das an der Wand des Yogazentrums hing. »Ist das klar? Ohne Ausnahme. Also dann. Die nächste Position heißt
die Krabbe
.«
Da er den Aschram nicht verlassen wollte, ohne sich wenigstens nach dem Kobrakönig umgesehen zu haben, rappelte sich Groanin wieder auf und versuchte weiterzumachen; doch anders als Miss Crabbe war den Zwillingen bald klar, dass Groanin wirklich aufhören musste, wenn er nicht völlig zusammenbrechen wollte. Da John und Philippa jedoch ebenso klar war, dass bei Miss Crabbe weder Vernunft noch Mitleid oder Humor etwas ausrichten konnten, sahen die beiden keine andere Möglichkeit, als mit Dschinnkraft gegen sie anzugehen, wenn auch mit einer gewissen Behutsamkeit.
Sie hätten auch etwas Behutsames zuwege gebracht, wäre Dybbuk ihnen nicht zuvorgekommen. Und dieser setzte seine Dschinnkräfte keineswegs behutsam ein.
»ZYGOBRANCHIAT!«
Mit ein bisschen mehr Zeit hätten die Zwillinge vielleicht dafür gesorgt, dass Miss Crabbe die Stimme verlor oder sichden Hals verrenkte und so für den Rest des Tages außer Gefecht gesetzt war; Dybbuk dagegen verwandelte sie kurzerhand in eine Krabbe. Das war in Anbetracht ihres Namens zwar nicht besonders einfallsreich, aber zweifellos wirkungsvoll.
»Dem Himmel sei Dank«, sagte Groanin, der erschöpft auf dem Boden lag. Er war so ausgepumpt, dass er nicht einmal zur Seite rücken konnte, als die Krabbe auf ihn zukam. »Ich dachte wirklich, mein letztes Stündlein hätte geschlagen.«
»Hättest du sie nicht in etwas anderes verwandeln können?«, wies Philippa Dybbuk zurecht. »Meilenweit weg vom Meer, bei über vierzig Grad im Schatten und oben kreisen schon die Geier – Krabben können in diesem Teil der Welt nicht leben, Buck. Wenn du sie nicht bald zurückverwandelst, stirbt Miss Crabbe. Eine Katze oder eine Maus, selbst eine Spinne hätte ich noch verstanden.« Sie schüttelte den Kopf. »Aber eine
Weitere Kostenlose Bücher