Die Kinder des Dschinn. Der Spion im Himalaya
ununterbrochen in einer Sprache auf sie ein, die Philippa noch nie gehört hatte. Sein Gesicht war wettergegerbt und hatte einen orientalischen Einschlag.
»Er spricht Kasachisch«, sagte My. »Ich glaube, wir sind in West-Kasachstan. Zum Glück spreche ich neben Russisch auch ein bisschen Kasachisch. Wie es scheint, sind wir nicht weit von einer Stadt namens Atyrau entfernt, wo es einen Arzt gibt. Der Bursche sagt, dass er uns auf seinen Kamelen in die Stadt bringen will, aber nur weil er Angst hat, dass wir Kosakenteufel sind. Schon aus diesem Grund, ich meine, falls uns sonst noch jemand für Kosakenteufel hält, sollten wir den Teppich lieber hierlassen,während wir nach Atyrau reiten. Zum Tragen ist er vermutlich zu schwer, meinst du nicht?«
»Mr Swaraswati könnte hierbleiben und auf ihn aufpassen«, schlug Philippa vor. »Ginge das, Mr Swaraswati?«
»Es wäre mir ein Vergnügen, mich nicht von hier fortbewegen zu müssen«, erwiderte der alte Fakir. »Vor allem, wenn ich dabei auf festem Boden bleiben kann.«
»Ich verstehe das als Ja«, sagte Philippa.
»Ich bleibe bei ihm«, erbot sich Silvio. »Und leiste ihm Gesellschaft.«
»Ich auch«, sagte Mr Burton. »Es hat keinen Zweck, dass wir alle gehen.«
»Danke«, sagte Mr Swaraswati.
Der Kasache, der Mr Bajuleew hieß, war nicht sehr groß, aber dafür sehr stark. Er hob Nimrod ohne fremde Hilfe auf, trug ihn zu einem seiner Trampeltiere und legte ihn über den Sattel, der zwischen den beiden Höckern platziert war. Dann ließ er seine Frau und seinen Sohn in einem kleinen Lederiglu zurück und ritt mit Philippa und My nach Atyrau, das knapp vier Kilometer entfernt an einer Straße lag, deren Zustand immer besser wurde, je näher sie der Stadt kamen.
Atyrau liegt an der Flussmündung des Urals, am Ufer des Kaspischen Meeres. Es ist ein größeres Hafenstädtchen und besitzt eine schöne neue Moschee und einige imposante Gebäude. Die Luft ist klar und der Fluss sauber. Kasachstan ist ein aufblühendes Land, dessen Wohlstand beständig wächst, seitdem es nicht mehr zum alten Sowjetreich gehört. Deshalb wirkten die Leute dort auch alle sehr freundlich und zuvorkommend, vor allem Mr Bazajew, der Arzt im örtlichen Krankenhaus, der in London Medizin studiert hatte.
Als Dr Bazajew Nimrods Kopf geröntgt und verbunden hatte (wobei er sich vom Schädelumfang des Engländers und der Größe seines Gehirns sehr beeindruckt zeigte), ging es diesem bereits ein wenig besser. Er saß auf der Kante seines Krankenhausbettes und wollte wissen, was ihm zugestoßen war.
Der Arzt ließ Nimrod mit Philippa und My allein, um sich um seine anderen Patienten zu kümmern.
»Ich weiß noch, dass ein Vogel auf dem Teppich gelandet ist, aber viel mehr nicht«, gestand Nimrod.
»Einer von ihnen hat dich getroffen«, sagte Philippa. »Mr Burton sagt, dass es ein Pelikan war.«
»Ah ja«, sagte er. »Sie haben sich im Tauchflug auf uns gestürzt, weil sie den blauen Teppich mit einem Fischteich verwechselt haben.«
»Richtig«, sagte Philippa. »Wie geht es dir jetzt?«
»Mein Kopf fühlt sich an wie ein Heißluftballon«, sagte Nimrod. »Aber das wird schon.«
Philippa sah erleichtert drein. »Ich habe mir Sorgen um dich gemacht, Onkel Nimrod.«
»Das haben wir beide«, gestand My. »Auch wenn wir die Aufzeichnungen von Joseph Rock dabeihaben, kennt keiner von uns wirklich den Weg nach Shamba-La. Oder auch nur nach Tibet.«
»Ja.« Nimrod nickte. »Es ist immer noch ein weiter Weg. Dreitausendachthundertundvierzig Kilometer, um genau zu sein. Tibet heißt nicht umsonst das Dach der Welt. Man braucht eine lange Leiter, um dort hinaufzugelangen.«
»Mr Swaraswati wird begeistert sein«, sagte My, »dass er wieder fliegen darf.«
Nimrod sah sich in dem Behandlungszimmer um. »Übrigens, wo ist Mr Swaraswati?«
»Ich habe ihn dort gelassen, wo wir gelandet sind«, erklärte Philippa. »Beim fliegenden Teppich.«
»Und wo ist das?«, erkundigte sich Nimrod.
»Nun, wir sind in Kasachstan«, sagte Philippa. »Und die Stadt hier heißt Atyrau. Also könnte man sagen, dass wir sie ein paar Kilometer vor den Toren von Atyrau zurückgelassen haben. In einer Art Tal. Es ist alles in Ordnung. Er hat Mr Burton und Mr Prezzolini bei sich.«
»Und wer ist bei ihnen?« Nimrod seufzte.
»Äh, niemand«, sagte Philippa.
»Das war dumm! Dumm, dumm, dumm. Habe ich nicht mehr als deutlich gemacht, dass Mr Swaraswati viel zu wichtig ist, um
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