Die Kinder des Dschinn. Entführt ins Reich der Dongxi
wieder.
»Was überlegst du?«, fragte Philippa ihren Onkel.
Inzwischen konnten sie draußen Schritte hören, die langsam die Treppe heraufkamen.
»Ich denke, Schwester Cristina ist im Begriff, festzustellen, dass es mit dieser Welt noch ein wenig mehr auf sich hat, als sie je für möglich gehalten hätte«, sagte Nimrod.
»Und was ist mit dem Schock?«, fragte Philippa. »Sie ist eine alte Frau. Das hast du selbst gesagt. Wird sie ihn überwinden?«
»Wenn sie diese Treppe schafft«, sagte Nimrod, »dann kommt sie vermutlich auch über das hinweg, was wir ihr zu sagen haben. Meinst du nicht?«
Nur ein klein wenig außer Atem erschien Schwester Cristina im Türrahmen der Reliquienkammer. Zu Finlays/Johns und Philippas Überraschung hielt sie ein wunderschön verpacktes Päckchen in der Hand. Philippa nahm an, dass Nimrod freundlicherweise dafür gesorgt hatte, dass dieses an Schwester Cristina adressierte Päckchen unten auftauchte, damit es nichtso aussah, als habe sie den langen Weg eines bösen Streiches wegen auf sich genommen.
»Seht euch das an«, sagte sie glücklich.
»Wow«, sagte Philippa. Sie warf ihrem Onkel einen Blick zu und dieser nickte bestätigend.
»Ich frage mich, was das ist«, sagte Schwester Cristina, die Marco Polos Gestalt auf ihrem Stuhl noch nicht bemerkt hatte. »So ein schönes Päckchen habe ich seit meiner Kindheit nicht mehr bekommen. Zum Glück ist es nicht sehr schwer, sonst hätte ich es niemals hier heraufbringen können.« Sie packte es wortlos aus und fand eine Schachtel edler venezianischer Schokolade. Und dann entdeckte sie Marco Polo. »Oh, tut mir leid. Ich wusste gar nicht, dass noch jemand hier ist.«
Marco Polo stand höflich auf und verbeugte sich.
»Schwester Cristina«, sagte Nimrod gelassen. »Die Knochen aus der Kiste haben sich in diesen Mann hier verwandelt. Irgendwie haben sie sich wieder zusammengesetzt, als wir sie auf dem Boden auslegten.« Er sagte das in einem Ton, als sei es das Normalste von der Welt, dass eine berühmte historische Gestalt von den Toten zurückkehrte.
»Sie wollen mir doch nicht erzählen, dass er wirklich der selige Sankt Markus ist«, sagte Schwester Cristina.
»Nein, nein. Das hier ist Marco Polo.«
Wieder verbeugte sich Marco Polo mit großer Höflichkeit.
»Sie meinen,
der
Marco Polo? Der nach China gefahren ist?«
Nimrod bestätigte das.
»Meine Güte. Wie wunderbar. Möchten Sie ein Stück Schokolade, Sir?«
»Ja, bitte«, sagte Marco Polo.
Sie klappte die Schachtel auf und bot Marco die in Goldpapier eingewickelten Vollmilchschokoladentäfelchen an.
»Ich bin eine große Verehrerin Ihres Buches«, sagte sie. »Und ich liebe den Film, den man über Ihr Leben gedreht hat, mit Gary Cooper und Basil Rathbone. Er war so ein schöner Mann, dieser Gary Cooper. Sie sehen ihm wirklich ein bisschen ähnlich, wissen Sie. Er war auch so groß.«
Marco Polo lächelte höflich, obwohl er natürlich weder jemals einen Film gesehen noch von Gary Cooper gehört hatte. Dann nahm er sich ein Stück Schokolade, betrachtete es einen Moment und zeigte es dann Nimrod und den Kindern. »Eine goldene Tafel«, sagte er. »
Madonna
, wenn es doch nur die echte wäre,
eh
?« Dann wickelte er die Schokolade aus und steckte sie in den Mund. »Dann hätten wir es wesentlich leichter.«
Schwester Cristina ließ die Schokolade herumgehen. Jeder nahm sich ein Stück. Finlay und John aßen nacheinander zwei.
»Ich muss schon sagen«, meinte Schwester Cristina, »das ist wirklich ein bemerkenswerter Moment. Schließlich lernt man nicht jeden Tag Marco Polo kennen.«
Die Kinder nickten. Das war einleuchtend.
»Für mich ebenfalls«, sagte Marco Polo. »Man steht auch nicht jeden Tag von den Toten auf.«
»Nein, wirklich nicht«, sagte Schwester Cristina. »Aber für jemanden in meinem Alter ist das ziemlich ermutigend, wissen Sie? Denn wenn Sie jetzt hier sind, dann muss es nach diesem Leben noch etwas anderes geben. Noch ein Stück Schokolade?«
»Si, per favore«
, sagte Marco. »Sie schmecken sehr gut, wenn auch nicht ganz so gut wie Eiscreme. Haben Sie die schon einmal probiert? Ich habe das Rezept aus China mitgebracht.« Er küsste seine Fingerspitzen. »Eiscreme ist
squisito
… köstlich.«
»Oh ja«, stimmte Schwester Cristina ihm zu. »Eiscreme mag ich auch.«
»Etwas stört mich«, meldete sich John zu Wort und sah Nimrod an. »Ich dachte, du hättest gesagt, Marco sei seit siebenhundert Jahren tot.«
»Das stimmt«,
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