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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Mitternacht?
    – Ja, Mylord, man muß eben warten, bis es Tag wird.
    – Kann man das Boot nicht in See lassen?
    – Bei dieser hohlen See und in dieser Finsterniß ist es unmöglich. Und überdies, an welcher Stelle sollten wir anlegen?
    – Nun gut, John, bleiben wir hier bis zum Tagesanbruch.«
    Doch Will Halley lief wie ein Narr umher auf dem Decke seines Schiffes. Seine Matrosen, welche von ihrem starren Schrecken sich wieder erholt hatten, schlugen einem Faß Branntwein den Boden aus und begannen zu trinken. John sah voraus, daß ihre Trunkenheit bald schreckliche Scenen herbeiführen würde.
    Man konnte nicht auf den Kapitän rechnen, um sie im Zaume zu halten.
    Dieser Elende raufte sich die Haare aus und rang die Hände. Er dachte nur an seine Ladung, welche nicht versichert war.
    »Ich bin ruinirt, verloren!« schrie er laut, während er von einer Seite des Schiffes nach der anderen lief.
    John Mangles beruhigte sich keineswegs. Er ließ seine Gefährten sich bewaffnen und bereit halten, die Matrosen, welche von dem Branntwein schon voll waren, und deshalb schreckliche Lästerungen ausstießen, energisch zurückzuweisen.
    »Den Ersten dieser Elenden, welcher sich der Koje naht, sagte ruhig der Major, tödte ich wie einen Hund.«
    Die Matrosen sahen ohne Zweifel, daß die Passagiere entschlossen waren, sich Achtung zu verschaffen, denn nach einigen Versuchen, sie zu plündern, verschwanden sie.
    John Mangles beschäftigte sich nicht weiter mit diesen Trunkenbolden, sondern erwartete ruhig den Tag.
    Das Schiff lag vollständig unbeweglich. Das Meer beruhigte sich ein wenig, der Wind ließ nach, das wrackartige Schiff konnte also während einiger Stunden noch Widerstand leisten. Bei Tagesanbruch sollte John die Küste untersuchen. Wenn sie eine zugängliche Landungsstelle bot, sollte die Jolle, jetzt nur noch das einzige Boot an Bord, zum Transport der Passagiere und Mannschaft dienen. Man berechnete, daß man wenigstens drei Fahrten machen müsse, denn es war darin nur für vier Personen Platz. Das große Boot war ja durch eine Sturzwelle bereits weggeschwemmt worden.
    Während John Mangles die Gefahr der ganzen Situation reiflich erwog, hörte er, gestützt auf die Treppenkappe, das Brausen der Brandung. Er suchte mit seinen Blicken die tiefe Finsterniß zu durchdringen, und fragte sich, in welcher Entfernung sich wohl dieses so ersehnte und doch gefürchtete Land befinden möchte. Die Klippen erstrecken sich oft einige Meilen von der Küste in’s Meer hinaus. Würde das zerbrechliche kleine Boot im Stande sein, eine längere Hin-und Rückfahrt auszuhalten?
    Während John so überlegte, und den nächtlichen Himmel um Rath anflehte, ruhten die Passagiere, seinen Worten vertrauend, in ihren Hängematten. Die Unbeweglichkeit der Brigg sicherte ihnen einige Stunden Ruhe. Glenarvan, John und ihre Kameraden stärkten sich, als sie das Schreien und Lärmen der trunkenen Mannschaft nicht mehr hörten, durch einen kurzen Schlaf, so daß um ein Uhr ein tiefes Schweigen an Bord des Schiffes herrschte, das in seinem sandigen Bette gleichsam selbst schlummerte.
    Gegen vier Uhr begann es im Osten zu dämmern, die Wolken färbten sich leicht in dem blassen Lichte der Morgenröthe. John stieg wiederum auf das Verdeck. Der Horizont war durch einen Nebelschleier verdeckt. Unbestimmte Contouren schwankten hin und her in den Morgendünsten, doch in einer ziemlichen Höhe. Das Meer ging nicht mehr so hohl, die Wogen der hohen See verloren sich mitten in unbeweglichen dicken Wolken. John wartete. Das Licht nahm allmälig zu, der Horizont färbte sich leicht mit röthlichem Scheine. Der Nebelschleier zog langsam hin über das weite Panorama im Hintergrunde. Schwarze Klippen ragten mit ihren Spitzen über die Oberfläche des Meeres hervor. In ihrer Nähe zeichnete sich als Schaumstreifen eine Linie ab, ein einzelner Punkt leuchtete hell hervor, wie ein Leuchtthurm auf einer Bergspitze, auf welche die ersten Strahlen der emporsteigenden Sonne fallen. Dort war das Land, wenigstens neun Meilen entfernt.
    »Land!« rief John Mangles.
    Seine Gefährten, geweckt durch seine Stimme, stürzten eilig auf das Deck und betrachteten schweigend die Küste, welche sich dunkel am Horizont abzeichnete. Gastlich oder verhängnißvoll, sie sollte ihnen ein Zufluchtsort sein.
    »Wo ist Will Halley? fragte Glenarvan.
    Ich weiß es nicht, Mylord, antwortete John Mangles.
    Und seine Matrosen?
    Verschwunden wie er.
    Wie er ohne Zweifel voll und trunken,

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