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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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vertheidigen. Und was dann? Denken Sie, Mylord, an Lady Glenarvan, denken Sie an Mary Grant.
    – Arme Frauen! murmelte Glenarvan. John, mein Herz ist gebrochen, und zuweilen fühle ich, wie die Verzweiflung es erfaßt. Es scheint mir dann, daß neue Katastrophen uns erwarten, daß der Himmel sich gegen uns erklärt hat. – Ich habe Furcht.
    – Sie, Mylord?
    – Nicht für mich, John, sondern für Diejenigen, welche ich liebe, für Die, welche auch Du liebst!
    – Beruhigen Sie sich, Mylord, antwortete der junge Kapitän. Wir haben nichts zu fürchten, der Macquarie läuft schlecht, aber er läuft. Will Halley ist ein roher Mensch, aber ich bin da, und wenn die Nähe des Landes mir gefährlich erscheint, werde ich das Schiff auf die hohe See hinauslenken. Von dieser Seite also droht uns wenig oder gar keine Gefahr. Aber Gott mag uns davor bewahren, Bord an Bord mit dem Duncan zu liegen, und wenn Ew. Herrlichkeit ihn aufzufinden bemüht ist, so mag es nur geschehen, um ihn zu vermeiden, ihn zu fliehen.«
    John Mangles hatte Recht. Das Zusammentreffen mit dem Duncan wäre für den Macquarie verhängnißvoll gewesen; und besonders in diesem abgelegenen, öden Wasser, das die Piraten ohne jede Gefahr durchsuchen konnten.
    An jenem Tage jedoch erschien die Yacht nicht, und so nahte die sechste Nacht seit der Abfahrt aus der Twofold-Bai heran, ohne daß die Furcht John Mangles’ sich bestätigt hätte.
    Und doch sollte diese Nacht furchtbar werden. Plötzlich fast trat die Dunkelheit um sieben Uhr Abends ein, der Himmel sah drohend aus. Der Instinct des Seemannes, der doch die Oberhand über die thierische Stumpfheit des Trunkenen gewann, wurde bei Will Halley wach. Er verließ seine Cabine, rieb sich die Augen, und schüttelte seinen großen, rothen Kopf. Dann that er einen mächtigen Athemzug, um Luft einzuschlürfen, wie ein Anderer etwa ein großes Glas Wasser hinunterstürzt, um sich zu erfrischen, und prüfte das Mastwerk.
    Der Wind wurde frischer, sprang in einer Viertel-Wendung nach Westen um und blies nun voll nach der seeländischen Küste hin.
    Will Halley rief seine Leute unter lauten Flüchen, ließ Topp-und Bramsegel einziehen und das Takelwerk für die Nacht ordnen. John Mangles billigte es, ohne ein Wort zu sagen. Er hatte darauf verzichtet, sich mit dem großsprecherischen Seemann in ein Gespräch einzulassen. Aber weder Glenarvan noch er verließen das Deck. Zwei Stunden später trat eine starke Brise ein. Will Halley ließ das Marssegel einreffen. Das Manoeuvre wäre für fünf Männer schwer gewesen, wenn der Macquarie nicht eine doppelte Segelstange nach amerikanischem System gehabt hätte. In der That genügte es, die obere Raae einzuziehen, um das Marssegel fast ganz zu reffen.
    Zwei Stunden verflossen. Das Meer stieg. Der Macquarie fühlte in seinem Unterbau Stöße, welche glauben ließen, daß sein Kiel über Felsen schleifte. Das war zwar nicht der Fall, aber dieser massige Rumpf hob sich nur schwer mit der Welle, und die rückschlagenden Wogen spülten beträchtliche Wassermassen hinein. Das Boot, welches in den Tauen am Backbord hing, verschwand in einer mächtigen Woge.
    John Mangles ließ sich nicht beunruhigen. Jedes andere Schiff würde diese übrigens wenig gefährlichen Sturzwellen leicht überwältigt haben. Aber mit diesem schweren Fahrzeuge mußte man fürchten, geradezu unterzugehen, denn das Verdeck wurde bei jeder kommenden Welle überfluthet, und diese ab-und zuströmende Wassermenge konnte, da sie durch Abzugsrinnen nicht schnell genug Abfluß fand, das Schiff in die Tiefe versenken. Es wäre klug gewesen, um diesem Unfall vorzubeugen, das Schanzwerk mit Beilhieben zu zertrümmern, und so das Abfließen des Wassers zu erleichtern. Aber Will Halley weigerte sich, diese Vorsichtsmaßregel zu ergreifen.
    Es drohte dem Macquarie überdies eine größere Gefahr, und ohne Zweifel war keine Zeit mehr, sie zu verhindern.
    Gegen halb zwölf Uhr vernahmen John Mangles und Wilson, welche Wache hielten, plötzlich ein ungewöhnliches Geräusch. Ihr seemännischer Instinct erwachte. John erfaßte die Hand des Matrosen.
    »Die Brandung! rief er ihm zu.
    – Ja, erwiderte Wilson. Die Wellen brechen sich am Ufer.
    – Auf zwei Kabellängen höchstens?
    – Höchstens. Das Land ist da!«
    John beugte sich über die Verschanzung, betrachtete die düstern Wogen und rief:
    »Das Senkblei! Wilson! Das Senkblei!«
    Der Kapitän, der sich am Bugspriet befand, schien seine Lage gar nicht zu ahnen.

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