Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
ist es angegeben, es heißt Ngarnavahia und liegt etwa zwei Meilen unterhalb jener Stelle.
    – Nun, könnte man dort nicht die Nacht zubringen? Lady Helena und Miß Grant würden gewiß gern noch zwei Meilen machen, um ein einigermaßen behagliches Hôtel zu finden.
    – Ein Hôtel! rief Paganel aus, ein Hôtel in einem Maori-Dorfe! Nicht einmal eine Herberge oder Hütte! Dieses ganze Dorf besteht allein aus Zelten der Eingeborenen, und weit entfernt davon, dort ein Asyl zu suchen, glaube ich, daß wir allen Grund haben, es zu vermeiden.
    – Immer Ihre Besorgnisse, Paganel! sagte Glenarvan.
    – Mein lieber Lord, den Maoris gegenüber ist Mißtrauen besser am Platze, als Vertrauen. Ich weiß nicht, auf welchem Fuße sie mit den Engländern stehen, ob der Aufstand unterdrückt ist oder nicht, oder ob wir mitten auf den Kriegsschauplatz gerathen. Also, Bescheidenheit bei Seite, Leute wie wir würden ein guter Fang sein, und darum möchte ich die neu-seeländische Gastfreundschaft ohne Noth nicht gern in Anspruch nehmen. Ich halte es für klug, dieses Dorf sorgfältig zu vermeiden, und überhaupt jedes Zusammentreffen mit den Eingeborenen zu fliehen. Sind wir einmal in Drury, so ist unsere Lage wie vordem; dort werden unsere tapferen Damen sich von den Anstrengungen der Reise vollkommen erholen können.«
    Die Ansicht des Geographen war maßgebend. Lady Helena zog es vor, noch eine Nacht unter freiem Himmel zuzubringen und ihretwegen ihre Gefährten keiner Gefahr auszusetzen. Weder Mary Grant noch sie selbst verlangten Halt zu machen, und so setzte man den Marsch am Ufer fort.
    Zwei Stunden später begannen von den Bergen her sich die ersten nächtlichen Schatten auszubreiten. Die Sonne hatte vor ihrem Untergange noch eine plötzliche Theilung der Wolken benutzt, um die letzten Strahlen hindurchglänzen zu lassen. Die entfernten Hügel im Osten färbten sich im röthlichen Schimmer des enteilenden Tages, wie ein flüchtiger Scheidegruß an die Reisenden.
    Glenarvan und die Seinigen beschleunigten ihre Schritte. Sie kannten die Kürze der Abenddämmerung unter diesen niederen Breitengraden, und wußten, wie urplötzlich die Nacht hereinbricht. Es handelte sich darum, die Stelle, wo die beiden Ströme sich vereinigen, vor Einbruch der Finsterniß zu erreichen. Aber ein dichter Nebel zog über die ganze Gegend dahin und machte die genaue Beobachtung der einzuhaltenden Richtung sehr schwierig.
    Glücklicherweise wurde das Gesicht durch das Gehör ersetzt, denn das erstere war in der Finsterniß werthlos. Bald zeigte ein deutliches, mächtigeres Rauschen der Wellen die Vereinigung beider Ströme in einem Bette an. Um acht Uhr gelangte die kleine Gesellschaft endlich an jene Stelle, wo der Waipa sich in den Waikato ergießt.
    »Da ist der Waikato, rief Paganel, an dessen rechtem Ufer sich die Straße nach Auckland hinzieht.
    – Wir werden ihn morgen sehen, erwiderte der Major. Hier wollen wir unser Nachtlager aufschlagen. Es scheint mir, daß jene dunkleren Schattenrisse die einer Baumgruppe sind, welche uns gastlich aufnehmen soll. Nun zum Abendbrod und dann zur Ruhe!
    – Zum Abendbrod! sagte Paganel, aber nur Bisquit und trockenes Fleisch, ohne ein Feuer anzuzünden! Wir sind ungekannt und ungesehen hierher gekommen, wir wollen versuchen uns ebenso zu entfernen. Glücklicherweise macht uns dieser Nebel unsichtbar.«
    Die Baumgruppe war erreicht, und ein Jeder ordnete sich den strengen Vorschriften des Geographen unter. Das kalte Nachtmahl wurde schweigend verzehrt, und bald bemächtigte sich ein tiefer Schlaf der Reisenden, welche durch einen Fußmarsch von fünfzehn Meilen stark ermüdet waren.
Zehntes Capitel.
Der Strom.
    Bei Anbruch des folgenden Morgens breitete sich ein ziemlich dichter Nebel wie eine schwere Decke über dem Flusse aus. Ein Theil der Dünste, welche die Luft sättigten, hatte sich in Folge der frischen Kühle verdichtet und bedeckte mit einer schweren Wolke die Oberfläche des Wassers. Aber bald durchbrachen die Sonnenstrahlen diese Bläschenmassen, welche unter ihrem Glanze zerstoben. Die Ufer traten aus dem Nebel frei hervor, und der Lauf des Waikato erschien in der ganzen Pracht der Morgenbeleuchtung. Eine spitz zulaufende Landzunge, mit Strauchwerk bedeckt, verlor sich an dem Vereinigungspunkte der beiden Ströme. Die schneller dahinrollenden Fluthen des Waipa drängten die des Waikato eine Viertelmeile zurück, ehe sie sich mit ihnen vermischten, dann aber schmiegte sich der mächtige Strom

Weitere Kostenlose Bücher