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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ruhig den eindämmenden Ufern an und führte den Waikato in friedlichem Laufe der Mündung am Stillen Ocean entgegen.
    Als die Dünste höher stiegen, zeigte sich ein Boot, das den Waikato stromaufwärts fuhr. Es war ein Canot, etwa siebenzig Fuß lang, fünf breit und drei Fuß tief; sein Vordertheil erhob sich wie das einer venetianischen Gondel.
     

    Es war ein Canot von siebenzig Fuß Länge. (S. 591.)
     
    Das Ganze war aus dem Stamme einer Tanne gezimmert. Ein Lager aus trockenem Farrnkraut war in demselben bereitet. Acht Ruderer ließen es über die Wasserfläche dahinschießen, während es im Hintertheil ein Mann mittels eines beweglichen Steuerruders lenkte. Es war das ein Eingeborener von hohem Wuchs, etwa fünfundvierzig Jahre alt, mit breiter Brust und muskulösen Gliedern. Seine Stirn war gewölbt und schon mit dichten Falten bedeckt; sein wilder Blick, seine düstere Physiognomie ließen ihn als eine furchteinflößende Persönlichkeit erkennen.
    Ohne Zweifel war es ein Chef der Maoris von hohem Range, denn seine Tättowirung war sein ausgearbeitet, wodurch sein Körper und sein Gesicht ein zebraartig geflecktes Aussehen erhielt. Von den Flügeln seiner Adlernase aufwärts umzogen zwei schwarze, runde Ringe seine gelben Augen und vereinigten sich auf der Stirn, von der aus sie sich in dem üppigen Haarwuchs verloren. Das Kinn und der Mund mit seinen glänzenden Zähnen verschwanden unter regelmäßigen Zeichnungen, deren elegante Schweifungen sich bis auf die breite Brust hinabzogen.
    Diese Tättowirung, welche die Neu-Seeländer »Moko« nennen, ist eine hohe Auszeichnung, und nur der wird ihrer würdig erachtet, welcher in einigen Kämpfen sich durch besondere Tapferkeit hervorgethan hat. Die Sklaven, d.h. die niedere Volksklasse, können darauf niemals Anspruch machen. Die gefeierten Häuptlinge erkennen sich gegenseitig an der sorgfältigen Ausführung und Art der Zeichnungen, welche auf ihren Körpern oft Thierbilder darstellen. Einzelne unterziehen sich oft fünfmal der sehr schmerzvollen Operation des Moko. Dumont d’Urville hat bemerkenswerthe Einzelheiten über diesen Brauch gegeben und besonders hervorgehoben, daß der Moko jene Wappenschilder verträte, auf welche einzelne Familien in Europa so eitel sind. Der Unterschied besteht nur darin, daß diese dazu oft nur durch das Verdienst eines ihrer Ahnen berechtigt sind, während die Tättowirung bei den Neu-Seeländern immer nur den hohen persönlichen Muth des Trägers erkennen läßt und sich nicht vererbt. Dieselbe hat übrigens bei den Maoris, abgesehen von dieser Parallele, einen unbestreitbaren Nutzen dadurch, daß sie der Haut mehr Widerstandskraft gegen den Wechsel des Wetters verleiht und dieselbe gegen die vielen Mosquitostiche schützt.
    An der Seite des Mannes, der das Fahrzeug lenkte, lag ein englisches Gewehr und ein »
Patoupatou
«, eine Art doppelschneidiger Axt, etwa achtzehn Zoll lang und von smaragdener Farbe.
    In seiner Nähe saßen neun Krieger niedrigeren Ranges, von wildem Aussehen und wohl bewaffnet, deren einige noch an frischen Wunden litten und, in ihren Mantel von Phormium gehüllt, fast unbeweglich waren. Drei große, offenbar gefährliche Hunde hatten sich zu ihren Füßen ausgestreckt.
    Die acht Ruderer im Vordertheil schienen Sklaven oder Diener des Chefs zu sein; sie arbeiteten aus allen Kräften.
    In der Mitte des langen Bootes befanden sich zehn europäische Gefangene eng zusammengedrängt, mit gefesselten Füßen, aber freien Händen.
    Es waren Glenarvan und Lady Helena, Mary Grant, Robert, Paganel, der Major, John Mangles, der Steward und die beiden Matrosen.
    Sie hatten am Abend vorher, getäuscht durch den dichten Nebel, ihren Lagerplatz ganz in der Nähe einer zahlreichen Schaar Eingeborener gewählt. Mitten in der Nacht wurden sie im Schlafe überrumpelt, zu Gefangenen gemacht und an Bord des Fahrzeugs geschleppt. Man hatte sie bis jetzt nicht mißhandelt, da an eine Vertheidigung von vornherein nicht zu denken gewesen war. Ihre Waffen und Vorräthe befanden sich in den Händen der Wilden, bei dem geringsten Widerstande würden sie durch ihre eigenen Kugeln unfehlbar getödtet worden sein. Aus einigen englischen Worten, deren sich die Eingeborenen bedienten, konnten sie bald entnehmen, daß diese von den englischen Truppen zurückgeworfen und im Kampfe fast decimirt worden waren, weshalb sie den District des oberen Waikato wieder zu gewinnen suchten. Der maorische Häuptling wollte nach einem

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