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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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hartnäckigen Widerstande und nachdem seine besten Krieger von den Soldaten des vierzigsten Regiments niedergemetzelt worden waren, einen neuen Aufruf an die Stämme jenes Districtes erlassen, um durch sie verstärkt sich mit dem unüberwindlichen William Thompson zu vereinigen, der immer noch gegen die Eroberer kämpfte. Der Name dieses Chefs war »Kai-Koumou«; die Eingeborenen verbanden damit einen verhängnißvollen Sinn, da er in ihrer Sprache einen Menschen bezeichnet, »der die Glieder seiner Feinde verzehrt«. Dieser Mann war in der That auch tapfer und kühn, aber seine Grausamkeit kam seinem Ansehen gleich. Mitleid war von ihm nicht zu erwarten, das wußten die englischen Soldaten wohl. Der Gouverneur hatte deshalb auch einen Preis auf seinen Kopf gesetzt.
    Lord Glenarvan war von diesem furchtbaren Schicksale in dem Augenblick ereilt worden, wo ihm der so sehr ersehnte Hafen von Auckland nahe war, von dem aus er nach Europa zurückkehren wollte. Der Anblick seines kalten und ruhigen Gesichtes würde gleichwohl seine furchtbaren Qualen nicht haben errathen lassen. Hier in dieser ernsten Lage mußte er sich über das Unglück erhaben zeigen, das fühlte er. Seiner Frau und seinen Gefährten mußte er als Gatte und Chef ein leuchtendes Beispiel sein; und so war er denn auch bereit, als der Erste für das gemeinschaftliche Wohl zu sterben, wenn die Umstände es erfordern sollten.
    Tief religiös, wollte er an der Gerechtigkeit Gottes nicht verzweifeln, schon in Rücksicht auf den hohen und heiligen Zweck seiner Expedition, auf der er überall von Gefahren umlagert gewesen war. Er bedauerte daher nicht einen Augenblick den edlen Drang, der ihn in diese wilden Gegenden geführt hatte.
    Seine Gefährten waren seiner würdig; sie theilten seine hohe Denkungsweise; man hätte bei ihrem ruhigen und stolzen Gesichtsausdruck nicht glauben sollen, daß sie einer so verhängnißvollen Katastrophe entgegen gingen. Uebrigens waren Alle nach dem Rathe Glenarvan’s darin übereingekommen, den Eingeborenen gegenüber den möglichsten Gleichmuth an den Tag zu legen. Das war das einzige Mittel, sich bei diesen wilden Naturen in Achtung zu setzen. Denn gerade diese, und besonders die Maoris, besitzen fast alle ein gewisses Gefühl der Würde, das sie niemals vergessen. Sie achten nur den, der ihnen durch sein kaltes Blut und seinen Muth imponirt. Glenarvan wußte, daß er durch dieses Verhalten seinen Genossen und sich selbst eine üble Behandlung ersparte. Seit dem Aufbruch aus dem Lager hatten die Wilden, schweigsam, wie sie von Natur sind, nur wenige Worte unter einander gewechselt.
    Aber aus diesen hatte Glenarvan entnommen, daß sie die englische Sprache verstanden. Er entschloß sich daher, den Chef zu fragen, welches Schicksal ihnen vorbehalten sei. Mit fester, furchtloser Stimme wandte er sich an Kai-Koumou:
    »Wo führst Du uns hin, Häuptling?«
    Dieser betrachtete ihn kalt, ohne zu antworten.
    »Was willst Du mit uns beginnen?« fügte Glenarvan hinzu.
    In den Augen Kai-Koumou’s leuchtete ein Blitzstrahl, mit ernstem Tone erwiderte er nun:
    »Dich auswechseln, wenn die Deinigen es wollen; Dich tödten, wenn sie es verweigern.«
    Glenarvan frug nicht weiter, die Hoffnung kehrte ja in sein Herz zurück. Ohne Zweifel waren einige Chefs der Maoris in die Hände der Engländer gefallen, und die Eingeborenen wollten sie durch Austausch befreien. Das konnte ihr Heil sein; ihre Lage war wenigstens nicht verzweifelt.
    Das Boot flog inzwischen schnell stromaufwärts. Paganel, den sein leicht beweglicher Charakter gern aus einem Extrem in das andere fallen ließ, hatte seine volle Hoffnung wieder gewonnen. Er sagte sich, daß die Maoris ihnen die Mühe ersparten, sich selbst zu den englischen Posten zu begeben, was ja ein großer Zeitgewinn war. Mit seinem Schicksal ganz zufrieden, verfolgte er daher auf seiner ihm gebliebenen Karte den Lauf des Waikato quer durch die Ebenen und Thäler der Provinz. Lady Helena und Mary Grant unterdrückten ebenfalls gewaltsam ihre schrecklichen Besorgnisse und unterhielten sich leise mit Glenarvan. Auch der geübteste Physiognomiker würde in ihren Mienen nicht die Angst ihres Herzens erkannt haben.
    Der Waikato ist der Hauptstrom von Neu-Seeland. Die Maoris sind stolz darauf und eifersüchtig, wie die Deutschen auf den Rhein und die Slaven auf die Donau. Auf seinem zweihundert Meilen langen Laufe bewässert er die schönsten Gegenden der nördlichen Insel von der Provinz Wellington an bis

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