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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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zu haben, mit Unbekannten in Verbindung zu treten. Ein Trupp der Art mußte wohl Jedem, der einsam durch die Ebenen streifte, verdächtig vorkommen, dem Räuber, den die Klugheit gegenüber acht wohlbewaffneten und berittenen Männern zurückhielt, und dem Reisenden in diesen verlassenen Landstrichen, der in ihnen selbst Leute mit bösen Absichten erkennen mochte. Daher war es auch durchaus unmöglich, weder mit ehrlichen Leuten, noch mit Räubern sich zu unterhalten. Es war fast bedauerlich, sich niemals einer Bande »Rastreadores« 1 gegenüber zu befinden, und hätte man auch die Unterhaltung mit Flintenschüssen einleiten sollen.
    Wenn aber Glenarvan auch im Interesse seiner Nachforschungen das gänzliche Fehlen der Indianer zu bedauern hatte, so trug sich ein kleines Ereigniß zu, welches die Auslegung des Documentes sehr wesentlich bestätigte.
    Mehrmals kreuzte nämlich der Weg der kleinen Expedition verschiedene Fußpfade der Pampa, unter anderen einen ziemlich bedeutenden, – den von Carmen nach Mendoza – der an den Knochenresten von Hausthieren, Mauleseln, Pferden, Schafen und Rindern kenntlich war, welche ihn bezeichneten, abgenagt von den Schnäbeln der Raubvögel und gebleicht durch die entfärbende Einwirkung der Luft. Zu Tausenden lagen diese umher und sicher mischte sich der Staub manches menschlichen Skelettes mit dem der niedersten Thiere.
    Bis jetzt hatte Thalcave noch nie eine Bemerkung über die streng eingehaltene Wegesrichtung fallen lassen. Doch war ihm klar, daß man, da man keinem Wege in den Pampas folgte, auch nicht auf Städte, Dörfer oder Niederlassungen in den argentinischen Provinzen treffen könne. An jedem Morgen ging man der aufgehenden Sonne entgegen und wich nicht von dieser geraden Linie, so daß sich die untergehende Sonne jeden Tag direct hinter ihnen befand. In seiner Eigenschaft als Führer verwunderte sich Thalcave doch, daß er viel weniger führte als vielmehr geführt wurde. Sein Erstaunen barg er aber unter der natürlichen Zurückhaltung der Indianer, und da bis hierher nur unbedeutende Fußpfade vernachlässigt worden waren, machte er eben keine Bemerkung darüber. Aber heute, als der erwähnte Verbindungsweg erreicht war, hielt er doch das Pferd an, und sagte zu Paganel gewendet:
    »Der Weg von Carmen.
    – Ja wohl, mein braver Patagonier, erwiderte der Geograph in seinem reinsten Spanisch, der Weg von Carmen nach Mendoza.
    – Schlagen wir den nicht ein? fragte Thalcave.
    – Nein, antwortete Paganel.
    – Und wohin gehen wir?
    – Immer nach Osten.
    – Das heißt: nirgendshin.
    – Wer weiß es?«
    – Thalcave schwieg und sah den Gelehrten mit höchst verwundertem Gesichte an. Er konnte nicht annehmen, daß Paganel nur im Geringsten scherze. Ein Indianer, der immer ernsthaft ist, kann sich gar nicht einbilden, daß Jemand nicht ernsthaft spreche.
    »Sie gehen also nicht nach Carmen? fragte er nach einer kleinen Pause.
    – Nein, erwiderte Paganel.
    – Noch nach Mendoza?
    – Ebensowenig.«
    In diesem Augenblicke kam Glenarvan zu Paganel und fragte, was Thalcave gesagt, und warum er sein Pferd angehalten habe.
    »Er hat mich gefragt, ob wir nach Carmen oder nach Mendoza gingen, und war höchst erstaunt, als ich beide Fragen verneinte.
    – Freilich muß ihm unser Weg ziemlich sonderbar erscheinen, meinte Glenarvan.
    – Ich glaube es. Er sagte, wir gingen nirgendshin.
    – Nun, Paganel, könnten Sie ihn nicht über den Zweck unserer Expedition aufklären, und über das Interesse, welches wir daran haben, immer nur nach Osten zu gehen?
    Das wird sehr schwer sein, entgegnete Paganel, denn ein Indianer versteht Nichts von den Erdgraden und die Geschichte des Documentes würde für ihn eine Phantasie sein.
    – Nun, sagte sehr ernsthaft der Major, würde er die Geschichte nicht verstehen oder den Erzähler?
    – O, Mac Nabbs, versetzte Paganel, Sie zweifeln doch immer noch an meinem Spanisch.
    – Nun, so versuchen Sie es, mein werther Freund.
    – Gut, ich werde es versuchen.«
    Paganel wandte sich zu dem Patagonier zurück und fing eine Erzählung an, die oft genug durch das Fehlen einzelner Worte unterbrochen wurde, ebenso wie durch die Schwierigkeit, gewisse Eigenthümlichkeiten zu übersetzen und einem fast ganz unwissenden Indianer Einzelheiten zu erklären, die für ihn nur wenig verständlich waren. Der Gelehrte war ergötzlich anzusehen. Er gesticulirte, articulirte, bewegte sich auf hunderterlei Weise hin und her und Schweißtropfen fielen ihm reichlich

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