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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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von der Stirne auf die Brust. Wenn die Zunge nicht ausreichte, kamen ihm die Arme zu Hilfe. Paganel stieg vom Pferde und zeichnete im Sande eine geographische Karte, auf der sich die Breiten-und Längengrade kreuzten und die beiden Oceane sichtbar waren, zu denen sich die Straße von Carmen erstreckte. Niemals war ein Professor in größerer Verlegenheit. Thalcave beobachtete sein Verfahren mit ruhigem Blicke, aus dem man nicht erkennen konnte, ob er etwas davon verstand, oder nicht.
    Fast eine halbe Stunde währte diese Unterweisung des Geographen. Dann schwieg er, trocknete sein überschwemmtes Gesicht ab und sah den Patagonier an.
    »Hat er Sie verstanden? fragte Glenarvan.
    – Wir werden es gleich sehen, erwiderte Paganel, aber wenn es nicht der Fall ist, verzichte ich auf weitere Versuche.«
    Thalcave wich nicht von der Stelle. Er sprach nicht mehr. Seine Augen hafteten auf den im Sande gezeichneten Figuren, die der Wind allmälig verwischte.
    »Nun?« fragte ihn Paganel.
    Thalcave schien ihn nicht zu verstehen. Paganel sah schon ein ironisches Lächeln auf den Lippen des Majors, und um seine Ehre zu retten, wollte er eben mit neuer Energie seine geographischen Erklärungen wieder aufnehmen, als der Patagonier ihn durch eine Handbewegung unterbrach.
    »Ihr sucht einen Gefangenen, sagte er.
    – Ja, antwortete Paganel.
    – Und genau auf dieser Linie zwischen der aufgehenden und untergehenden Sonne, sagte Thalcave, der durch eine Umschreibung nach Indianerart den Weg von Westen nach Osten bezeichnete.
    – Ja wohl! So ist es!
    – Und Euer Gott hat den Fluthen des unermeßlichen Meeres das Geheimniß des Gefangenen anvertraut?
    – Ja, Gott selbst.
    – So möge sich sein Wille erfüllen, sagte Thalcave mit einer gewissen Feierlichkeit, wir ziehen gen Osten, und wäre es bis zum Aufgange der Sonne!«
    Paganel übersetzte, triumphirend über seinen gelehrigen Schüler, seinen Genossen sofort die Worte des Indianers.
    »Welch’ intelligente Race! sagte er. Von zwanzig Bauern in unserer Heimat hätten neunzehn von meinen Erklärungen Nichts verstanden!«
    Glenarvan veranlaßte Paganel, den Patagonier zu fragen, ob er nicht davon gehört habe, daß Fremde den Indianern der Pampas in die Hände gefallen seien.
    Paganel stellte diese Frage und erwartete die Antwort.
    »Kann sein«, sagte der Patagonier.
    Kaum war dies Wort übersetzt, als Thalcave auch von den sieben Reisenden umringt war; man fragte ihn mit den Blicken.
    Paganel, der vor Erregung kaum die Worte fand, fuhr in der so interessanten Fragestellung fort, während seine auf den so ernsthaften Indianer gerichteten Augen die Antwort schon zu erspähen suchten, bevor sie Jenem über die Lippen kam.
    Jedes spanische Wort des Patagoniers wiederholte er englisch, so daß seine Genossen gleichsam in ihrer Muttersprache reden hörten.
    »Und dieser Gefangene? fragte Paganel.
    – War ein Fremder, antwortete Thalcave; ein Europäer.
    – Ihr habt ihn gesehen?
    – Nein, aber in den Berichten der Indianer wurde er erwähnt. Es war ein tapferer Mann! Er hatte das Herz des Büffels!
    – Das Herz des Büffels! wiederholte Paganel. O, die prächtige Sprache der Patagonier. Sie verstehen es, meine Freunde – ein muthiger Mann!
    – Mein Vater!« rief Robert Grant.
    Dann wendete er sich an Paganel und fragte:
    »Wie heißt: ›Das ist mein Vater‹ auf Spanisch?
    – Es mio padre
«, erwiderte der Geograph.
    Sogleich ergriff Robert Thalcave’s Hände und sprach mit sanfter Stimme:
    »
Es mio padre
!
    – Suo padre«!
2 antwortete der Patagonier, dessen Augen aufleuchteten.
    – Er nahm den Knaben in die Arme, hob ihn von seinem Pferde und betrachtete ihn mit forschender Theilnahme. In seinem verständigen Gesicht prägte sich eine friedliche Gemüthsbewegung aus.
    Doch Paganel hatte seine Fragen noch nicht beendet. Wo war jener Gefangene? Wie erging es ihm? Wann hatte Thalcave von ihm reden hören? Alle diese Fragen drängten sich zugleich in ihm auf.
    Die Antworten ließen nicht auf sich warten, und so vernahm er, daß der Europäer als Sclave bei einem der Indianerstämme sei, welche zwischen dem Colorado und dem Rio Negro das Land durchstreifen.
    »Aber wo befand er sich zuletzt? fragte Paganel.
    – Bei dem Kaziken Calsneura, antwortete Thalcave.
    – In der Richtung, welche wir bis jetzt verfolgt haben?
    – Ja.
    – Und was ist dieser Kazike?
    – Der Häuptling der Poyuches-Indianer, ein Mann mit zwei Zungen und mit zwei Herzen.
    – Das heißt also, falsch mit

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