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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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werden. Die Pferde würden ihn ohne Zweifel nicht erreichen, aber die Menschen konnten gerettet werden. Die Strömung trug sie dahin.
    In diesem Augenblicke ließ Tom Austin’s Pferd ein ersticktes Wiehern hören und verschwand. Sein Herr, der glücklich aus den Steigbügeln gekommen war, schwamm mit vollen Kräften.
    »Halte Dich an meinen Sattel, rief ihm Glenarvan zu.
    – Ich danke, ehrenwerther Herr, erwiderte Tom Austin, meine Arme sind verläßlich.
    – Und Dein Pferd, Robert? … sagte Glenarvan zu dem jungen Grant.
    – Es geht damit, Mylord, es geht! – Es schwimmt wie ein Fisch.
    – Achtung!« rief da der Major mit starker Stimme.
    Kaum war das Wort gesprochen, als die ungeheure Masse ankam. Eine riesenhafte, wohl vierzig Fuß hohe Woge stürzte sich mit Höllengetöse über die Flüchtlinge. Menschen und Thiere, Alles verschwand in einem Schaumwirbel. Eine flüssige Masse von mehreren Millionen Tonnen Gewicht wälzte sich in ihrem wüthenden Wasser dahin.
    Als die Wasserwand vorüber war, tauchten die Menschen wieder auf der Oberfläche auf und zählten sich rasch. Die Pferde alle, außer Thaouka, das seinen Herrn noch trug, waren für immer verschwunden.
    »Muth! Muth! rief Glenarvan wiederholt, indem er mit dem einen Arme Paganel unterstützte und mit dem andern schwamm.
    Es geht schon, es geht! erwiderte der würdige Gelehrte, ich bin sogar gar nicht böse darüber …«
    Worüber war er nicht böse? Man hat es nie erfahren, denn der arme Mann mußte das Ende seines Satzes mit einem halben Maße lehmigen Wassers hinunterschlucken. Der Major drang ruhig vorwärts, mit regelrechten Bewegungen, an welchen ein Schwimmmeister nichts auszusetzen gehabt hätte. Die Matrosen schlichen sich hin, wie zwei Meerschweine in ihrem Elemente. Robert, der sich an Thaouka’s Mähne anklammerte, ließ sich mit dem Thiere forttreiben. Thaouka theilte das Wasser mit stolzer Kraft und hielt sich instinctiv in der Linie nach dem Baume, wohin auch die Strömung trieb.
    Nur zwanzig Klafter war der Baum noch entfernt; in wenigen Augenblicken erreichte ihn die ganze Gesellschaft. Und es war zum Heile, denn ohne diese Zuflucht war keine Aussicht auf Rettung, und Alle hätten in den Fluthen umkommen müssen.
    Das Wasser reichte bis an das obere Ende des Stammes, wo die ersten starken Zweige entspringen. Es war also leicht, sich festzuhalten. Thalcave verließ sein Pferd, hob Robert empor, kletterte zuerst hinauf, und bald hatten seine kräftigen Arme alle erschöpften Schwimmer an sicherem Orte untergebracht.
    Aber Thaouka, von der Strömung fortgerissen, entfernte sich schnell. Das Pferd wandte den klugen Kopf nach seinem Herrn zurück und wieherte, seine lange Mähne schüttelnd.
    »Du verläßt es! sagte Paganel zu Thalcave.
    – Ich!« rief der Indianer.
    Und sich in das wüthende Wasser stürzend, tauchte er gegen zehn Klafter von dem Baume entfernt wieder auf. Einige Augenblicke nachher schlang sich sein Arm um Thaouka’s Hals, und Roß und Reiter trieben zusammen gegen den dunstigen Horizont nach Norden hin.
Fußnoten
    1 Gegen sechzig Stunden.
     
    2 Schnell, schnell!
Dreiundzwanzigstes Capitel.
Wie Vögel auf den Zweigen.
    Der Baum, auf welchem Glenarvan und seine Begleiter einen Zufluchtsort gefunden hatten, glich einem Nußbaum; er hatte wie dieser glänzendes Laub und eine abgerundete Krone. Es war der »Ombu«, den man vereinzelt auf den argentinischen Ebenen antrifft. Dieser Baum, mit krummem und sehr starkem Stamm, steckt im Boden nicht allein mit seinen mächtigen Wurzeln, sondern mit kräftigen Schößlingen, welche ihn auf’s Zäheste darin festhalten. So hatte er auch dem Andrang der Springfluth widerstanden.
    Dieser Ombu hatte eine Höhe von ungefähr hundert Fuß und konnte mit seinem Schatten einen Umkreis von sechzig Klaftern bedecken. Das ganze Baumgestell ruhte auf drei großen Aesten, die sich an der Spitze des sechs Fuß dicken Stammes auseinander zweigten. Zwei dieser Aeste erhoben sich fast senkrecht und trugen das ungeheure Blätterdach, dessen Zweige gekreuzt, verschlungen, in einander verflochten, wie von der Hand eines Korbflechters, einen undurchdringlichen Schutz gewährten. Der dritte Ast erstreckte sich dagegen fast horizontal über die brausenden Gewässer; seine niedrigen Blätter reichten schon bis in dasselbe hinein. Es fehlte nicht an Raum innerhalb dieses Riesenbaumes; das ringsum in die Weite gewachsene Laubwerk ließ große Zwischenräume frei, wahrhafte Lichtungen, Luft im

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