Die Kinder des Kapitän Grant
war mit Wasserstaub beladen. Die Vögel, wie fliehend vor einem unbekannten Ereignisse, zogen schnellsten Fluges dahin. Die Pferde, welche mit den halben Beinen im Wasser gingen, fühlten die ersten Stöße der Strömung. Bald erhob sich ein furchtbarer Lärm; Gebrüll, Wiehern und Geblöke erschallte eine halbe Meile im Süden, und es wurden ungeheure Heerden sichtbar, welche niederstürzend und sich erhebend, vorwärts drängend, eine unzusammenhängende Masse erschreckter Thiere, mit furchtbarer Schnelligkeit dahinflohen. Unter den Wasserwirbeln, die sie in ihrem Laufe erregten, konnte man sie kaum unterscheiden. Hundert Wallfische der größten Art hätten die Wogen des Oceans nicht mehr aufrühren können.
»
Anda, anda!
2 rief Thalcave laut.
– Was giebt es denn? fragte Paganel.
– Die Ueberschwemmung! Die Ueberschwemmung! erwiderte Thalcave, der seinem Pferde die Sporen gab und sich nach Norden wendete.
– Die Ueberschwemmung kommt!« rief Paganel, und seine Gefährten, er voraus, folgten den Spuren Thaouka’s.
Es war hohe Zeit. Wirklich wälzte sich, gegen fünf Meilen im Süden eine hohe und breite Springfluthwoge über das Land, das sich in einen Ocean verwandelte. Wie abgemäht verschwanden die hohen Gräser. Die von der Strömung abgerissenen Mimosenbüschel rührten ebendaher und bildeten schwimmende Inseln. Die Fluth verbreitete sich in tiefen Wassermassen mit unwiderstehlicher Gewalt. Offenbar hatte ein Bruch der Uferdämme der großen Flüsse in den Pampas stattgefunden, und vielleicht vereinigten sich sogar die Wasser des Colorado mit denen des Rio Negro in einem gemeinsamen Bette.
Thaouka wird schnell weggerissen. (S. 203.)
Die von Thalcave signalisirte Springfluthwelle kam mit der Schnelligkeit eines Pferdes im vollen Laufe heran. Vor ihr hin entflohen die Reisenden wie eine vom Sturme gejagte Wolke. Vergeblich suchten ihre Blicke eine schützende Zuflucht. Himmel und Wasser gingen am Horizonte in einander über. Die durch die Gefahr doppelt angetriebenen Pferde stürmten in sausendem Galop dahin, und ihre Reiter vermochten sich kaum im Sattel zu halten. Glenarvan schaute öfters zurück.
»Das Wasser holt uns ein, dachte er.
– Anda, anda
!« trieb Thalcave.
Und nochmals trieb man die unglücklichen Thiere an. Von ihren durch die Sporen zerrissenen Weichen rann das Blut, welches auf dem Wasser lange, rothe Streifen bildete. Sie strauchelten in den Spalten des Bodens; sie stürzten nieder. Man riß sie empor. Sie stürzten wieder, und wieder wurden sie emporgerissen.
Der Wasserstand wuchs merkbar. Lange Wellen kündigten den Ansturm jener hohen Woge an, die in höchstens noch zwei Meilen Entfernung ihr schaumiges Haupt hin und her bewegte. Eine Viertelstunde lang noch setzte sich dieser äußerste Kampf gegen das furchtbarste der Elemente fort. Die Flüchtlinge konnten sich nicht genau Rechenschaft über die Entfernung geben, welche sie durcheilten; wenn man aber die Schnelligkeit ihres Rittes zum Maßstabe nahm, so mußte sie beträchtlich sein.
Herberge in einer Baumkrone. (S. 204.)
Unterdessen waren die Pferde bis zur Brust in’s Wasser gekommen und konnten nur noch mit äußerster Schwierigkeit vorwärts. Glenarvan, Paganel, Austin und alle Anderen hielten sich für verloren und dem schrecklichen Tode der im Meere verlassenen Unglücklichen geweiht. Die Reitpferde verloren nun allmälig den Boden unter den Füßen, und bei sechs Fuß Wasser mußten sie schon schwimmen.
Wir müssen darauf verzichten, die quälende Todesangst dieser acht Menschen zu beschreiben, die von der steigenden Fluth überfallen wurden. Sie fühlten ihre Ohnmacht gegenüber diesen Wasserfluthen der Natur, welche menschlichen Kräften so weit überlegen waren. Ihre Rettung lag nicht mehr in ihrer Hand.
Fünf Minuten später schwammen die Pferde. Der Strom selbst trieb sie mit beispielloser Heftigkeit und einer den schnellsten Galop erreichenden Schnelligkeit dahin, die wohl zwanzig Meilen in der Stunde übersteigen mochte.
Jede Rettung schien unmöglich, als die Stimme des Majors sich vernehmen ließ:
»Ein Baum! rief er.
– Ein Baum? wiederholte Glenarvan.
– Dort! Dort!« bestätigte Thalcave.
Er wies mit dem Finger auf einen etwa achthundert Klafter nach Norden zu entfernten ungeheuren Nußbaum, der sich feststehend mitten aus dem Wasser erhob.
Seine Gefährten bedurften keines Antriebes. Dieser Baum, der sich ihnen so unerwartet darbot, mußte um jeden Preis erreicht
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