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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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kamen sie durch und durch naß, von Kälte erstarrt und entkräftet von Anstrengung am Abend bei einem elenden Rancho an. Nur wenig wählerische Leute konnten ihm den Namen eines Obdachs geben, und nur Reisende, die am Ende ihrer Kräfte waren, darin eine Zuflucht suchen. Aber Glenarvan und seine Gefährten hatten keine Wahl. Sie verkrochen sich in der elenden Hütte, die ein Indianer der Pampas sonst verachtet hätte. Ein schlechtes Feuer von Gras, welches mehr Rauch als Wärme verursachte, wurde nicht ohne Mühe angezündet. Regenstöße wütheten draußen, und durch das halbverfaulte Strohdach sickerten große Tropfen. Wenn das Herdfeuer nicht zwanzigmal verlöschte, so kam es daher, daß Mulrady und Wilson es zwanzigmal gegen das Andringen des Wassers vertheidigten.
    Das sehr mittelmäßige und wenig stärkende Abendessen verlief traurig. Die Eßlust fehlte. Der Major allein that dem feucht gewordenen Charqui alle Ehre an. Der kaltblütige Mac Nabbs stand über allen Zufällen. Paganel versuchte, in seiner Eigenschaft als Franzose, zu scherzen; aber das verfing nicht.
    »Meine Späße sind feucht geworden, sagte er, sie versagen!«
    Da unter diesen Umständen der Schlaf jedenfalls das Erwünschteste war, so suchte Jeder im Schlummer ein augenblickliches Vergessen seiner Strapazen. Die Nacht war schlecht; die Bretter des Rancho krachten, als wollten sie brechen; er gab den Windstößen so sehr nach, daß man jeden Augenblick fürchten mußte, ihn fortgerissen zu sehen. Die armen Pferde jammerten draußen, da sie aller Unbill des Himmels ausgesetzt waren, und die Herren derselben litten fast nicht minder in ihrer traurigen Hütte. Endlich überwältigte sie doch der Schlaf. Robert schloß zuerst die Augen, indem er den Kopf auf Glenarvan’s Schulter ruhen ließ, und bald darauf schlummerten auch die andern Insassen des Rancho unter dem Schutze Gottes.
    Es scheint, daß der Herr wohl über ihnen wachte, denn die Nacht ging ohne Unfall vorüber. Thaouka weckte früh die Schläfer, denn das immer muntere Thier wieherte draußen und schlug mit dem Hufe kräftig gegen die Hüttenwand. An Thalcave’s Stelle wußte es zur Noth das Zeichen zum Aufbruch zu geben. Man verdankte ihm zuviel, um nicht zu gehorchen, und reiste ab.
    Der Regen hatte nachgelassen, aber der undurchlässige Boden hielt das Wasser zurück. Auf dem undurchdringlichen Lehmboden breiteten sich Lachen, Moräste und Teiche aus und bildeten ungeheure »Banados« von unzuverlässiger Tiefe. Paganel zog seine Karte zu Rathe und vermuthete nicht ohne Grund, daß der Rio Grande und der Vivarota, Flüsse, nach denen die Gewässer dieser Ebene ablaufen, zusammengeströmt seien und ein mehrere Meilen breites Bett bildeten.
    Es ward also für die Reise die äußerste Schnelligkeit nöthig. Das Wohl Aller war in Gefahr. Wo sollte man, wenn die Ueberschwemmung zunahm, eine Zuflucht finden? Der von dem Horizont begrenzte ungeheure Kreis bot nirgends einen erhöhten Punkt, und auf dieser wagerechten Ebene mußte das Wasser sehr schnell überhand nehmen.
    Die Pferde wurden also möglichst angetrieben. Thaouka an der Spitze verdiente mehr als manche Amphibien mit unvollkommenen Schwimmhäuten den Namen eines Seepferdes, denn es sprang, als ob es sich ganz in seinem Elemente befinde.
    Plötzlich, es war gegen zehn Uhr des Morgens, zeigte Thaouka eine ganz auffallende Unruhe. Es wendete sich häufig gegen die unbegrenzten Ebenen im Süden; sein Wiehern wurde länger, mit der Nase saugte es kraftvoll die frische Luft ein. Es bäumte sich heftig. Thalcave, den seine Sprünge nicht aus dem Sattel heben konnten, vermochte es kaum zu zügeln. Der Schaum aus dem Maule des Thieres mischte sich unter dem straff angezogenen Gebisse mit Blut, und doch beruhigte sich das aufgeregte Thier nicht; wäre es frei gewesen, so fühlte sein Herr wohl, daß es sich in aller Schnelligkeit nach Norden davongemacht hätte.
    »Was hat denn Thaouka? fragte Paganel, ist das Thier von den so gierigen Blutegeln der argentinischen Gewässer gebissen worden?
    – Nein, antwortete der Indianer.
    – Es scheut also vor irgend einer Gefahr?
    – Ja, es wittert Unheil.
    – Welches?
    – Das weiß ich nicht.«
    Wenn das Auge die Gefahr auch noch nicht erblickte, welche Thaouka prophezeite, so konnte sich das Ohr doch schon davon Rechnung geben. In der That war jenseit der Grenzen des Horizonts ein dumpfes Geräusch, ähnlich dem der wachsenden Fluth, zu hören. Der Wind trat in feuchten Stößen auf und

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