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Die Kinder des Kapitän Grant

Die Kinder des Kapitän Grant

Titel: Die Kinder des Kapitän Grant Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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Ueberfluß und Kühle überall. Sah man, wie diese Aeste ihre unzähligen Zweige bis in die Wolken streckten, während Schmarotzerschlingpflanzen sie unter einander verbanden, und wie die Sonnenstrahlen durch die Oeffnungen im Laubwerk drangen, so konnte man wirklich sagen, auf dem Stamm dieses Ombu stehe für sich allein ein ganzer Wald.
    Die Ankunft der Flüchtigen scheuchte eine befiederte Welt auf die hohen Zweige, wobei sie durch ihr Geschrei gegen eine so arge Anmaßung ihres Wohnsitzes protestirte. Diese Vögel, welche ebenfalls eine Zuflucht auf dem einsam stehenden Ombu gesucht hatten, befanden sich da zu Hunderten; Amseln, Staare u.a., und besonders die Fliegenvögel (
pica-flor
), mit glänzendem Gesieder; wenn sie davonflogen, schien es, als ob ein Windstoß den Baum all seiner Blüthen beraube.
    Dieses Asyl bot sich Glenarvan und seiner kleinen Truppe dar. Der junge Grant und der behende Wilson kletterten, als sie kaum im Baume Platz gefunden, unverweilt bis auf die höchsten Zweige. Ihr Kopf durchbrach dort das grüne Blättergewölbe, und von diesem Gipfelpunkt umfaßte das Auge einen weiten Horizont. Der durch die Ueberschwemmung geschaffene Ocean umgab sie von allen Seiten, und so weit die Blicke reichten, sah man keine Begrenzung. Kein Baum ragte aus der Wasserfläche empor; nur der Ombu allein inmitten dieser umfluthenden Gewässer erbebte dröhnend unter ihrem Anprall. In der Ferne trieben von Süden nach Norden, durch den Strom fortgerissen, entwurzelte Baumstämme, zerknickte Aeste, Hütten, Strohbedachungen zertrümmerter Rancho’s, Dachbalken von Landhäusern, Körper ertrunkener Thiere, und auf einem schwankenden Baume eine ganze Familie brüllender Jaguars, die sich mit ihren Tatzen an ihr gebrechliches Floß anklammerten.
    Noch weiter in der Ferne zog ein kleiner schwarzer, fast schon unsichtbarer Punkt die Aufmerksamkeit Wilson’s auf sich. Es war Thalcave und sein treuer Thaouka, die in der Ferne verschwanden.
    »Thalcave, mein Freund! rief Robert aus, indem er die Hand nach dem muthigen Patagonier ausstreckte.
    – Er wird sich retten, Herr Robert, sagte Wilson, aber lassen Sie uns wieder zu Sr. Herrlichkeit herabsteigen.«
    Und flugs stiegen Robert Grant und der Matrose die drei Stockwerke der Aeste hinab und befanden sich auf der Spitze des Stammes. Dort saßen Glenarvan, Paganel, der Major, Austin und Mulrady rittlings oder seitwärts, wie es ihnen paßte. Wilson stattete Bericht über seinen Besuch auf dem Gipfel des Ombu ab. Alle theilten seine Meinung hinsichtlich Thalcave’s. Es war nur die Frage, ob Thalcave Thaouka, oder Thaouka Thalcave retten würde.
    Die Lage der Insassen des Ombu war ohne Widerrede viel beunruhigender. Der Baum würde zwar gewiß der Gewalt des Stromes widerstehen, aber die wachsende Ueberschwemmung konnte seine hohen Zweige erreichen, denn die Senkung des Bodens machte diesen Theil der Ebene zu einem tiefen Wasserbehälter. Die erste Sorge Glenarvan’s war also, vermittelst eingeschnittener Merkzeichen den verschiedenen Wasserstand zu beobachten. Das Anwachsen der Fluthen schien bereits die größte Höhe erreicht zu haben. Dies war schon beruhigend.
    »Und was sollen wir jetzt thun? sagte Glenarvan.
    – Uns einnisten, natürlich, antwortete Paganel heiter.
    – Uns ein Nest bauen! rief Robert.
    – Allerdings, mein Junge, und leben wie die Vögel, da wir nicht wie die Fische leben können.
    – Gut, sagte Glenarvan, aber wer wird uns den Schnabel füllen?
    – Ich«, versetzte der Major.
    Aller Blicke richteten sich auf Mac Nabbs. Der Major saß ganz gemächlich in einem von elastischen Zweigen gebildeten natürlichen Fauteuil und hielt mit einer Hand seine naß gewordenen, aber strotzend gefüllten Alforjas empor.
    »Ei, Mac Nabbs, rief Glenarvan aus, daran erkenne ich Sie! Sie denken an Alles, selbst bei Gelegenheiten, wo man Alles vergessen darf.
    – Von dem Augenblick an, da wir uns vornahmen, nicht zu ertrinken, so wollten wir damit doch auch nicht Hungers sterben.
    – Ich würde wohl daran gedacht haben, sagte Paganel naiv, doch bin ich so zerstreut!
    – Und was enthalten die Alforjas? fragte Tom Austin.
    – Nahrung für sieben Menschen auf zwei Tage, war die Antwort.
    – Gut, sagte Glenarvan, ich hoffe, daß die Ueberschwemmung binnen vierundzwanzig Stunden hinreichend abgenommen haben wird.
    – Oder daß wir ein Mittel gefunden haben werden, wieder auf’s Trockene zu kommen, versetzte Paganel.
    – Vor Allem müssen wir also

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