Die Kinder des Ketzers
Bei denen ist es wie bei den Weibern
– das Einzige, womit sie sich die Langeweile vertreiben können, ist Klatsch, deshalb sind sie über alles bestens informiert. Dass sie damals bei der Vergeltungsaktion gegen die Antonius-Jünger dabei waren, war natürlich pures Glück.»
«Woher könnt Ihr so etwas?»
«Was?»
«Na – Menschen beurteilen.»
Trévigny lachte trocken. «Verbringt mal ein Jahr am Hof in Paris, dann könnt Ihr das genauso gut. In Sachen Intrigen ist das die beste und härteste Schule der Welt. Und für so ein paar Reservecarcisten reicht es dreimal!»
«Carcisten?», fragte Fabiou verständnislos.
«Ja. Oder was denkt Ihr, mit was für einer ehrenhaften Gemeinschaft wir es bei den Herren zu tun haben?»
«Was sind Carcisten?», fragte Fabiou.
«Das wisst Ihr nicht?», rief Trévigny erstaunt. «Ihr scheint ja wirklich ganz schön hinter dem Mond zu leben in diesem Cas252
telblanc – ich bin gerade mal drei Wochen in dieser Gegend und offenbar besser über die hiesigen politischen Verhältnisse informiert als Ihr. Carcisten nennt man die Anhänger von dem Herrn da hinten, Jean de Pontevès, Graf von Carcès.» Trévigny wies über die Schulter zurück zum Eingang, wo die Gebrüder Pontevès noch immer an der Seite der Mancoun die Ovationen der Neuankömmlinge entgegennahmen.
«Hm. Pontevès… Sind die mit dem Buous verwandt?», fragte Fabiou, die Bemerkung mit dem Leben hinter dem Mond geflissentlich überhörend.
«Vettern zweiten Grades, wenn ich’s richtig verstanden habe», erklärte Trévigny. «Auf jeden Fall sind die Carcisten eine Gruppe radikaler Katholiken, so eine Art antiprotestantischer Kampfbund. Sicher Leute, die zum Teil mit Vorsicht zu genießen sind, wobei mir ein Senher Bossard jetzt nicht allzu große Angst einjagt.» Er grinste.
Fabiou runzelte die Stirn. Er konnte ein gewisses Gefühl der Beunruhigung nicht abwehren. Immerhin schienen sowohl Onkel Philomenus als auch sein Stiefvater gute Kontakte zu diesen Leuten zu unterhalten. Passend, war man versucht zu sagen, sowohl Frederi als auch Philomenus waren Erzkatholiken. Katholischer Kampfbund, was bedeutete das wohl? Lauerten die Kerle nachts Protestanten auf? Nicht, dass Fabiou den Protestanten die geringsten freundlichen Gefühle entgegenbrachte, Ketzer waren Ketzer. Dennoch war es ein ungutes Gefühl, dass sein Stiefvater sich mit Leuten abgab, die eventuell zu Gewalttaten neigten. Die vielleicht sogar vor Mord nicht zurückschreckten. Andererseits war einer der Toten Mönch, und Trostett allem Anschein nach ebenfalls gut katholisch. Im Namen Jesu und der Jungfrau Maria, hatte er geschrieben … Unwahrscheinlich, dass eine Gruppe von Protestantenhassern hinter ihrer Ermordung steckte. Fabiou schüttelte heftig den Kopf und wandte sich wieder Trévigny zu. Widerwillig gestand er sich ein, dass der Comte ihm wahrhaft eine große Hilfe gewesen war. Ein Angeber mochte der Kerl sein, aber ein schlauer Angeber. «Nun gut, Comte, also, ich danke Euch ganz herzlich für Eure Hilfe…»
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«Gern geschehen.» Trévigny grinste und streckte ihm die Hand hin. «Sébastien, im Übrigen. Bitte.»
Fabiou war einen Moment lang sprachlos. Nicht, dass er großen Wert darauf legte, ausgerechnet den Comte de Trévigny zum Duzfreund zu haben, aber er war sich im Klaren darüber, dass dies eine seltene Ehre war. Die wenigsten Franzosen waren auf freundschaftliche Beziehungen zu den Einheimischen aus. Dann, als er sich halbwegs gefasst hatte, ergriff er die ihm dargebotene Hand.
«Fabiou», sagte er und hatte das Gefühl, um zwanzig Zoll größer zu werden. Das war das erste Mal in seinem Leben, dass ihm ein Erwachsener die Freundschaft anbot.
«Freut mich», sagte Trévigny und sah ernsthaft so aus, als freue er sich. «Nun – ich denke, ich muss mich mal wieder der anwesenden Weiblichkeit widmen. Also, Fabiou, viel Spaß beim weiteren Investigieren. Und halte mich auf dem Laufenden, wenn du etwas herausfindest.» Er winkte ihm zu und schlenderte davon. Eigentlich ist er ja doch ganz nett, dachte Fabiou. Die Festgesellschaft war inzwischen weitgehend vollständig. Überall saßen und standen die ehrenwerten Gäste umher, aßen, unterhielten sich, debattierten. Die jungen Herren umstanden die jungen Damen oder andersherum, irgendwo weiter hinten im Garten hatte jemand ein Jeu de Paume initiiert, jenes Ballspiel, bei dem der Ball mit einer Art hölzernem Handschuh geschlagen wurde und das sich in den höheren Kreisen
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