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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Studenten ringsum einbrachte – Senher Bertrand de Bossard, ein überaus verdienter und edler Junker. Es folgte eine detaillierte Aufstellung der Verdienste und Tugenden des verblichenen Senher Bossard. Leider, so schloss der Stadtschreiber die Episode, wurde der Strauchdieb Joan vor Durchführung der Hinrichtung von maskierten Mitgliedern seiner Bande befreit und entkam somit seiner gerechten Strafe. Fabiou lehnte sich zurück. Es gab also mehr als ein Bindeglied zwischen Bossard und den Antonius-Jüngern. Abgesehen 325
    davon, dass er sich an dem Vernichtungsschlag gegen die Bande 1545 beteiligt hatte, hatte er bereits 1544 versucht, ihren Anführer Joan an den Galgen zu bringen. Grund genug, ihm die Kehle durchzuschneiden?
    Er blätterte weiter und kam zum April 1545.
    Was Fabiou am meisten erstaunte, war die Belanglosigkeit, mit der das Ereignis dokumentiert war. Als handele es sich um eine Verordnung zum Ablauf des Wochenmarkts oder zur Bestellung des Gemeindelands. In seiner üblichen trockenen, emotionslosen Sprache berichtete der Stadtschreiber, dass zunehmend Berichte laut wurden, nach denen die ketzerischen Waldenser im Lubéron geheime Stützpunkte in den Grotten und Schluchten des Gebirgszuges einrichteten, in denen sie sich zu Banden zusammenrotteten, oft tausend Mann stark oder mehr, offensichtlich mit dem Ziel, über die guten Christen der umliegenden Dörfer herzufallen und diese um Hab, Gut, Leib und Leben zu bringen; dass das Parlament von Aix aus diesem Grund vom König ermächtigt worden sei, unter Zurücknahme des Gnadenerlasses vom 8. Februar 1541 den Arrêt gegen das Dorf Mérindol vom 18. November 1540 in die Tat umzusetzen; dass der Gerichtshof des Parlaments daraufhin am 12. April 1545 die Ausführung des genannten Arrêts beschlossen und den Ersten Präsidenten, Jean Maynier d’Oppède, in seiner Eigenschaft als Lieutenant du Roi mit dessen Durchführung betraut habe; dass dieser das Mandat angenommen habe, desgleichen die drei vom Parlament ernannten Kommissare, denen die Ausführung des Arrêts obliegen solle, Monsieur de la Font, Zweiter Präsident des Parlaments, Monsieur Bernard de Badet und Monsieur Honoré de Tributiis; dass daraufhin Befehl an die Grundherren der umliegenden Orte ergangen sei, ihre Truppenaufgebote bereitzustellen, daneben aber auch die in Marsilho stationierten piemontesischen Truppen zur Unterstützung herangezogen wurden sowie Soldaten des päpstlichen Vizelegaten zu Avignon, der den Arrêt unterstütze; außerdem sei ein gewisser Vaujouine mit der Aushebung von Männern beauftragt worden.
    So detailliert die bisherigen Ausführungen waren, so knapp waren die kommenden Ereignisse beschrieben. In wenigen allgemein gehaltenen Sätzen berichtete der Schreiber, dass es den so 326
    aufgestellten Truppen in der Zeit vom 16. zum 21. April nicht nur gelungen sei, die waldensischen Rebellenbanden zu Merindou, La Costo und einigen anderen Orten vernichtend zu schlagen und die böswilligen Ketzer letztlich ihrer gerechten Strafe zuzuführen, man sei auf Wunsch des päpstlichen Vizelegaten auch vor Cabriero gezogen, wo sich der abscheuliche Ketzerführer Marron mit seinen Truppen verschanzt habe, welches man nach eintägiger Kanonade schließlich genommen und von der ketzerischen Pest gereinigt habe. Desweiteren, so der Stadtschreiber, sei am 24. April ein Beschluss des Parlaments verkündet worden, der jedem unter Strafe der Konfiszierung seines Besitzes verbot, flüchtige Ketzer aufzunehmen, mit Nahrung zu versorgen oder ihnen in anderer Weise Hilfe zukommen zu lassen. Aufgegriffene Ketzer seien gefangen zu setzen und ihre Familien des Landes zu verweisen. Ende der Geschichte von Merindou. Und nahtlos ging der Schreiber zum 10. Mai über und zu der schrecklichen Bluttat im Wald vor Seloun. In den folgenden Abschnitten kam die Liebe des Stadtschreibers zum Detail wieder voll zur Geltung. In allen Einzelheiten schilderte er den grausigen Mord an Hector Degrelho, seiner Frau, seinem Sohn und einem Großteil seiner Bediensteten, wie ihn ein überlebender Diener geschildert hatte. Offenbar war die Familie in Ais gewesen und hatte die Stadt am Morgen des 10. Mai in Richtung Arle verlassen. In einem Waldstück unweit Seloun waren sie dann von einem mindestens zwanzig Mann zählenden Trupp der Räuberbande überfallen worden, die jeden niedermetzelten, dessen sie habhaft werden konnten. Der Senher d’Astain selbst leistete ihnen erbitterten Widerstand, doch da seine Diener im

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