Die Kinder des Ketzers
Buch ein Stück aus dem Regal zu ziehen oder einen Buchrücken zu studieren. So erreichte er das Regal, vor dem der Fremde stand. Er hielt in der Tat ein aufgeschlagenes Buch in den Händen und blätterte mit gerunzelter Stirn durch dessen Seiten. Fabiou wandte sich dem gegenüberliegenden Regal zu, griff nach einem Buch über die Kunst der Rhetorik, das er scheinbar interessiert öffnete, die Ohren gespitzt bis zur Decke.
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Er hätte sich gar nicht so sehr anstrengen müssen. « Bonjour , r Fabiou», sagte der Fremde in diesem Moment deutlich hörbar. Die Kunst der Rhetorik polterte auf den Fußboden. Sie waren Gott sei Dank relativ weit vom Pförtner und den übrigen Studenten entfernt. Perplex bückte Fabiou sich und hob das Buch wieder auf. Ein paar Seiten waren geknickt. «Woher… kennt Ihr meinen Namen?», fragte er heiser.
«Oh, er stand in dem Buch da vorne.» Der Fremde klappte sein Buch zu und wies zum Eingang. «Ich habe die Bibliothek kurz nach dir betreten.» Für einen Deutschen sprach er erstaunlich gut provenzalisch.
«Was tut Ihr hier?», fragte Fabiou misstrauisch.
«Oh», der Fremde sah ihn erstaunt an, «dasselbe wie alle hier. Ich bilde mich. Dazu ist eine Universität doch da, oder?»
«Ihr seid ein bisschen alt für einen Studenten!», entgegnete Fabiou. «Im Übrigen glaube ich Euch kein Wort! Ihr verbergt etwas! Ihr nennt Euch Grandjean und behauptet, Ihr seid aus Lothringen, und dabei seid Ihr in Wirklichkeit Deutscher und heißt Ingelfinger!»
Ingelfinger pfiff leise durch die Zähne, während er das Buch ins Regal zurückstellte. «Du bist ein ganz schön schlauer Junge, Fabiou», meinte er. «Das scheint bei euch in der Familie zu liegen.»
«Wie meint Ihr das?», fragte Fabiou verwirrt.
«Oh, ich kannte zumindest mal einen Kermanach de Bèufort, und der war ein glänzender Geist. Bester seines Jahrgangs im juristischen Examen. Man hat ihm eine große Karriere vorhergesagt.»
«Ihr kanntet meinen Vater?», fragte Fabiou unsicher.
«Oh, das ist lange her… Wenn er dein Vater ist, dann bist du ja auch mit Docteur Avingou verwandt! Wahrhaftig, lauter kluge Leute in der Familie. Kein Wunder, dass du so ein Schlaukopf bist.»
«Mein Vater ist tot», sagte Fabiou finster.
«Oh, welch Tragödie! So ein vielversprechender Mensch! Woran ist er denn gestorben?»
«An einem Fieber. Schon 1545.» 1545. Immer wieder dasselbe Datum. 1545 wurden die Waldenser vernichtet, 1545 wurden die Antonius-Jünger hingerichtet, Hector Degrelho und seine Familie wurden ermordet, Vater starb an einem Fieber, Onkel Pierre 332
ist von einer Kutsche überfahren worden und Großtante Beatitudo an der Zuckerharnruhr gestorben. Buous und Bonieus erzählten, dass damals, nach der Ermordung der Waldenser, überall Seuchen ausgebrochen sind. War es eine dieser Seuchen, die meinen Vater getötet hat?
«Soso, an einem Fieber, ist das so?» Ingelfinger schüttelte bedauernd den Kopf. «Tragisch, wirklich.»
«Ach, hört auf damit. Ich weiß genau, weshalb Ihr hier seid. Ihr seid auch auf der Suche nach Trostetts Mörder, stimmt’s?» Fabiou wurde langsam ziemlich wütend.
Ingelfinger betrachtete ihn sinnierend. «Es wäre vermutlich interessant, zu untersuchen, wie du all diese Dinge herausgefunden hast.»
«Pah, ich weiß noch viel mehr!», erklärte Fabiou schnippisch.
«Ich weiß, dass es kein Raubmord war, wie alle sagen, genauso wenig wie die Ermordung dieses Augustinermönchs und der Mord an Senher Bossard Raubmorde waren!» Seine Augen blitzten vor Aufregung. «Wisst Ihr, wer der Mörder ist? Denkt Ihr, es ist der junge Nicoulau, der Sohn dieses Anführers der Antonius-Jünger?
Ist er damals wirklich entkommen und übt jetzt Rache für den Tod seines Vaters? Und heißt das, dass Trostett und der Mönch auch etwas mit der Vernichtung der Antonius-Jünger zu tun hatten? Hat Trostett vielleicht die Söldner der Edelleute bezahlt, weil er sich davon irgendeine Vergünstigung erhofft hat? Aus der Kasse des Unternehmens Ohneberg? Und das Ganze hat er dann vertuscht?»
Ingelfinger sah ihn noch immer an, ohne zu blinzeln. «Junge, ich denke, dein Vater wäre stolz auf dich», sagte er dann langsam.
«Dann habe ich recht?», rief Fabiou aufgekratzt und so laut, dass allmählich doch ungute Blicke von den Tischen in ihre Richtung gesandt wurden.
«Glücklicherweise bist du von der Wahrheit weiter entfernt, als du dir vorstellen kannst», meinte Ingelfinger mit einem angedeuteten Lächeln. «Und jetzt,
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