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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Bandenmitglied nach dem anderen sich am Galgen zu Tode zappelte, und schilderte detailverliebt jede Einzelheit der Räderung und des darauf folgenden stundenlangen Todeskampfes der Räuberhauptleute. Als die Geschichte endlich mit einem triumphierenden
    «Et ita finis fuit discipulorum Antonii» endete, sackte Fabiou nach Luft schnappend in seinen Stuhl zurück, was diesen zum Quietschen brachte und ihm wieder einen strafenden Blick der eifrigen Studenten eintrug.
    In Ordnung, Fabiou, konzentrier’ dich! Das war der zugegebenermaßen ziemlich gräuliche Bericht über eine ziemlich grausame 329
    Hinrichtung, aber darum geht es nicht! Es geht um die Fakten!
    Und wenn du genau nachdenkst, stimmt da etwas nicht!
    Nachdenklich blätterte Fabiou noch einmal durch die Seiten. Etwas passte nicht zusammen, dessen war er sich bewusst, ohne dass ihm momentan klar war, was. Der Überfall auf Degrelho, der Rachefeldzug, die Schlacht in der Coumbo, die Gefangennahme der Antonius-Jünger…
    Er hielt inne. Die Namen! Joan lou Pastre, Enri Nicoulau, sein Sohn, Miquéu Sest…
    Nicoulaus Sohn!
    Hastig blätterte er weiter, zu der Stelle, wo die Angeklagten und ihre Urteile aufgelistet waren. Er hatte die Liste vorher nur überflogen, doch nun studierte er sie eingehend, Namen für Namen. Dann lehnte er sich zurück, große Augen auf die Tischplatte gerichtet.
    Der Name Nicoulau kam nur einmal vor. Enri Nicoulaus Sohn wurde nicht mehr erwähnt.
    Wieder blätterte er nach vorne. Da stand es doch, eindeutig, Henricus Nicolaus et filius suus. Kein Wort davon, dass besagter Sohn getötet worden war. Kein Wort über seinen weiteren Verbleib. Wie war das möglich? Sollte dieser Oberpedant von einem Stadtschreiber ausgerechnet den jungen Nicoulau bei seiner Aufstellung vergessen haben? Unwahrscheinlich. Also, wenn es kein Versehen war, gab es logischerweise nur eine Alternative. Es war Absicht. Offensichtlich gab es Gründe, die dagegen sprachen, das Schicksal von Nicoulaus Sohn zu dokumentieren. Aber was für Gründe?
    Fabiou seufzte. Gründe, das Schicksal eines Räubers zu vertuschen. Lasst mich nachdenken. Also, ad unum, vielleicht hat der junge Nicoulau ja heimlich mit den Edelleuten zusammengearbeitet, und man wollte das geheim halten, um ihn vor der Rache der verbliebenen Bandenmitglieder zu schützen. Möglich, bis auf die Tatsache, dass ja angeblich keiner der Räuber übrig geblieben ist. Ad altrum, der junge Nicoulau arbeitete in Wirklichkeit für den Geheimdienst und wusste über ein Komplott zur Ermordung des Königs Bescheid. Ad tertium, der junge Nicoulau hatte einen heimlichen Gönner, vielleicht ein adliges Fräulein, das ihm zur Flucht verhalf und dafür sorgte, dass sein Name nirgends notiert wurde, 330
    indem sie ihrem Vater drohte, sich anderenfalls aus dem Fenster zu stürzen. Ad quartum…
    Irgendwie kam ihm jede dieser Möglichkeiten ebenso unsinnig wie die vorangegangene vor.
    Nummer eins war noch das wahrscheinlichste. Was, wenn doch ein paar Mitglieder der Bande überlebt hatten? Man hätte diese Befürchtung möglicherweise geheim gehalten, um die Menschen nicht zu beunruhigen und umso erfolgreicher dazustehen…
    Fabiou konnte gerade noch einen Triumphschrei unterdrücken, der ihm zweifelsohne den sofortigen Rausschmiss beschert hätte. Was, wenn der junge Nicoulau es schlicht und ergreifend geschafft hatte zu entkommen und man den guten Stadtschreiber gebeten hatte, diese peinliche Tatsache unter den Tisch fallen zu lassen?
    War dies nicht eine naheliegende Erklärung für das Fehlen seines Namens? Aber wenn dies stimmte – wenn Nicoulaus Sohn immer noch auf freiem Fuß war…
    Er hätte ein Motiv gehabt, Bossard zu töten, er ganz gewiss!
    Und das war der Moment, in dem Fabiou den Mann zwischen den Regalen wahrnahm. Er stand halb verdeckt durch die davor liegenden Regalreihen im hintersten Winkel der Bibliothek, die Nase, soweit Fabiou das erkennen konnte, in ein Buch gesteckt. Auffallend war, dass er der Kleidung nach sicher kein Angehöriger der Universität war. Natürlich, grundsätzlich war diese Bibliothek der Öffentlichkeit zugänglich, aber das erklärte noch lange nicht, was ein Mann, der sich heute Ingelfinger und morgen Grandjean nennt, zwischen ihren Regalen zu suchen hatte.
    In Ordnung, diesmal bist du fällig, Allemand . Fabiou stand auf und lief durch die Regalreihen, wobei er versuchte, den Eindruck zu erwecken, er hielte nach einem bestimmten Buch Ausschau, blieb ab und zu stehen, um ein

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