Die Kinder des Ketzers
als Skylla und Charybdis und grauenvoller als Pestilenz, Syphilis und Krätze», ergänzte Arnac.
«Wahrhaftig. Mit der Hölle selbst hat er es zu tun!», meinte Sébastien mit mitleidsvollem Augenaufschlag.
«Du hast es erfasst, mein Freund.» Arnac kämpfte gegen einen Lachanfall. Keiner von ihnen hatte ihn je so guter Laune erlebt. Als habe er nicht nur Calvinus, sondern außerdem Luther, Zwingli und Jeanne d’Albret durch den Vatikan geschmuggelt.
«Sagt mal, wovon redet ihr eigentlich?», fragte Fabiou entgeistert und stand auf.
«Oh, über deine Ausbildung», erklärte Sébastien.
«Ausbildung?»
«Ja – zum drittgrößten Fechtmeister aller Zeiten.»
«Drittgrößter… hä?»
«Na ja, Arnac ist der zweitgrößte, und der größte bin ich», meinte Sébastien unschuldig.
«Ihr spinnt ja wohl!» Fabiou klopfte sich heftig an die Stirn. «Ich und fechten!»
«Warum denn nicht?», fragte Arnac grinsend.
«Na… ich bin erst fünfzehn!»
«Na und… ich habe mit sechs angefangen», behauptete Sébastien. «Du, Arnac?»
«Mit vier.»
«Angeber.»
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«Trotzdem. Ich kann so etwas nicht. Ich bin da unbegabt. Ganz bestimmt!», meinte Fabiou verzweifelt.
«Kommt auf einen Versuch an, oder?», meinte Arnac. Und mit einer blitzschnellen Bewegung hatte er seinen Degen aus der Scheide gezogen und ihn Fabiou zugeworfen. Dieser machte mitnichten Anstalten, ihn zu fangen, sondern sprang mit einem Entsetzensschrei zur Seite, und der Degen klirrte neben ihm auf den Boden. Frederi Jùli war wie der Blitz neben ihm und hob den Degen auf, um ihn Fabiou strahlend zu überreichen. «Bringst du mir auch Fechten bei, Sébastien?», fragte er.
«Wenn du älter bist.»
«Wieso… du hast doch gerade gesagt, du hast mit sechs Fechten gelernt, und ich bin schon neun!»
«Jaja, aber jetzt ist erst mal Fabiou dran. Los, Fabiou, komm schon!»
Fabiou nahm den Degen mit einem Blick entgegen, als handle es sich um eine geifernde Viper. «Und jetzt?», fragte er lahm. Augenblicklich begann Sébastien zu dozieren, über Grundstellungen, Armhaltung, Schrittfolgen, Schlagtechniken. Fabiou dachte verwirrt, dass man wohl leichter Jurisprudenz studierte, als die Grundlagen des Fechtens zu erlernen. Er war somit ziemlich erleichtert, als Sébastien zu der Auffassung kam, ihm genug Hintergrundwissen vermittelt zu haben, und zur Praxis überging, indem er seinen Degen zog, ihn mit einem eleganten Schwung vor seine Nase beförderte und erklärte: « En garde !»
Das hieß so viel wie «Aufgepasst», wie Fabiou wusste, und ihm wurde schon nach fünf Sekunden die Bedeutung dieser Bemerkung klar, denn obwohl Sébastien sicher nur ein Minimum seiner kampftechnischen Register zog, schien sein Degen aus Fabious Sicht schlichtweg überall zugleich zu sein. Sébastien ließ die Waffe sinken. «Fabiou, ein bisschen solltest du den Degen schon bewegen», meinte er mit gerunzelter Stirn.
«Ja, aber wie denn?», jammerte Fabiou.
«Pass auf – ich führe einen Schlag aus, so. Und du versuchst ihn zu parieren, indem du einfach von unten gegen meine Klinge schlägst.» Sébastien führte Fabiou eine stark verlangsamte Version eines Degenhiebs vor. «Also, jetzt, versuch’ es!»
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Eine halbe Stunde später war Sébastien zu der Auffassung gelangt, dass Fabiou nicht übertrieben hatte, als er sich als unbegabt fürs Fechten bezeichnet hatte. Fabiou führte den Degen mit der Eleganz eines Holzhackers und der Treffsicherheit eines Blinden und schlug selbst dann noch daneben, wenn Sébastien die Klinge ganz still hielt. «Ich kann das nicht!», meckerte er wütend. «Ich bin Poet! Meine Waffe ist die Feder, und nicht das Schwert!»
Sébastien wischte sich verzweifelt den Schweiß von der Stirn.
«Himmel, Junge, jetzt konzentriere dich doch wenigstens! Mich musst du ansehen, nicht den Degenknauf!»
«Aber woher soll ich dann wissen, ob ich ihn richtig halte?»
«Und wie oft soll ich dir noch sagen, dass man den Knauf nur mit einer Hand hält? Das ist ein Degen und kein Breitschwert!»
«Ja, aber, aber dann rutscht er mir aus der Hand, wenn ich zuschlage…»
Arnac lächelte. «Macht Euch nichts draus», meinte er. «Ihr schlagt eben nach Eurem Vater. Der war zwar ein gewandter Kämpfer, was das Wort angeht. Aber was den Degenkampf betrifft… Hector Degrelho hat sich verzweifelt bemüht, ihm Unterricht zu geben. Als Euer Vater ihn einmal gefragt hat, was er tun soll, wenn er angegriffen wird, da hat Degrelho ihm geraten, auf alle Fälle
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