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Die Kinder des Ketzers

Die Kinder des Ketzers

Titel: Die Kinder des Ketzers Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Katja Klink
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Badestube eingemörtelt worden ist. Das eine oder andere hatte man auch einfach stehen lassen; die Thermen des Konstantin zum Beispiel, die sich schließlich hervorragend als Lagerhallen eigneten, das Amphitheater, das in seinen Rundbögen mindestens dreißig Krimskramsläden beherbergte, und natürlich die Alicamps, die frühchristlichen Totenfelder vor der Stadt, heilig genug, dass ihnen die Bautrupps vom Leibe blieben, nebensächlich genug, sie langsam, aber sicher im Schlamm versinken zu lassen.
    Es schlug vier Uhr, als sie durch das östliche Tor in die Stadt einzogen, allen voran Frederi Jùli, der aufgeregt im Sattel seines Pferdes herumrutschte – es war, um genau zu sein, das Pferd seines Vaters, und Fabiou hoffte, dass dieser Umstand für Frederi Jùli schreckliche Folgen haben würde. Sie fragten den Torwärter nach St. Trophimus und bekamen die lapidare Antwort zu hören, das sei hinter dem Amphitheater. Sie ritten die Straße hinauf, die der Torwärter ihnen wies, bis diese sich auf einen freien Platz öffnete
    – und standen vor dem erstaunlichsten Bauwerk, das sie in ihrem ganzen Leben gesehen hatten. Schwarz vor Ruß und grün vor Moos hob sich das gigantische Rund des Amphitheaters in den Himmel, Bogen erhob sich über Bogen, Säule über Säule, Stein über Stein.
    « Diable », hauchte Frederi Jùli ergriffen, der den Kopf in den Nacken gelegt hatte und mit offenem Mund nach oben starrte.
    «Das ist noch gar nichts – das Colosseum in Rom ist viermal größer», behauptete Fabiou mit einer Selbstsicherheit, als sei er hundertmal dort gewesen.
    «Haben die Römer da drin die Christen gefressen?», fragte Frederi Jùli neugierig. Loís lachte. «Was gibt’s da zu lachen?», meckerte Frederi Jùli. 755
    «Oh… ich stelle mir gerade so einen alten Römer vor, der einen Christen anknabbert…»
    «Haha… ich meine doch die Löwen», erklärte Frederi Jùli beleidigt.
    «Weiß nicht», meinte Fabiou, dem das auch ziemlich egal war. St. Trophimus war ihm wichtiger.
    Sie ritten weiter, begleitet vom Geschrei der Marktleute, das ihnen aus den Bögen des Amphitheaters entgegenhallte. Frederi Jùli deutete an, dass ihm die Würste am letzten Stand vor der Ecke durchaus zusagen würden, doch Fabiou meinte, für so etwas habe er nun definitiv kein Geld übrig, und außerdem habe ein Amphitheater gar keine Ecken, es sei schließlich rund, und was seinen Hunger beträfe, nun, hatte ihn vielleicht irgendjemand aufgefordert mitzukommen?
    Die Ecke war in der Tat keine… als sie der Rundung des Amphitheaters weiter folgten, erschien hinter besagtem Stand ein weiterer, und dahinter wieder ein weiterer, und noch einer. Frederi war fasziniert von diesem Umstand. «Wisst Ihr, genau so ist das mit der Welt», erklärte Loís. «Früher haben die Leute auch gedacht, da wo der Horizont ist, sei eine Kante. Aber in Wirklichkeit ist die Welt eben rund, und immer wenn man denkt, man hat die Kante erreicht, geht es dahinter doch noch weiter.»
    « Intrigant », staunte Frederi Jùli.
    Bei einem Händler, der zu Frederis Ärger nur verbeulte Kochtöpfe verkaufte, fragte Fabiou erneut nach St. Trophimus, und diesmal wurden sie in eine schmale Straße geschickt, die in einer leichten Neigung nach unten führte. Die Straße öffnete sich in einen kleinen Platz. Und zur Linken lag St. Trophimus. Sie banden die Pferde an einem der eisernen Ringe an der Kirchenmauer an. Fabious Knie hatte sich so weit erholt, dass er wieder halbwegs normal laufen konnte, wenn er auch bei jedem Schritt schmerzlich das Gesicht verzog. «Wie sehe ich aus?», knurrte er Frederi Jùli an.
    «Na ja», Frederi Jùli warf einen skeptischen Blick auf Fabious zerschrammtes Gesicht, «also, als du letzten Sommer vom Scheunendach gefallen bist, hast du schlimmer ausgesehen», meinte er diplomatisch.
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    Fabiou glättete seine Haare mit den Händen und drückte sich die Mütze auf den Kopf. «Ich rede da drinnen und sonst niemand, habt ihr verstanden?»
    Während Fabiou auf das Tor zuschritt, versuchte er sich vorzustellen, wie oft sein Vater vor dreißig Jahren wohl diese Kirche betreten hatte. Wie ihm jeder Stein, jede Unebenheit auf den Treppenstufen, jede Szene in dem gigantischen Relief, in dem sich das Tor zur Kirche öffnete, im Schlaf vertraut gewesen sein musste. Anheimelnd vertraut? Abstoßend vertraut? War sein Vater hier glücklich gewesen? Er starrte auf das Relief, das sich wie ein riesiger Fächer um das Hauptportal ausspannte. Ein

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