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Die Kinder des Saturn

Die Kinder des Saturn

Titel: Die Kinder des Saturn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stross Charles
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tut das Kneten weh, aber ich höre damit erst auf, als ich ein Bällchen klaren Gelees in Fingerspitzengröße herausgepresst habe. Anschließend entleere ich meine Gasaustauschvorrichtung – atme aus -, halte das Bällchen vor mein Gesicht (ich kann mich nicht dazu überwinden, es mir anzusehen), ziehe es in mein linkes Nasenloch hoch und wiederhole das Ganze mit dem rechten Nasenloch.
    Während der weiteren Reise versuche ich den Gedanken daran, dass ich mich in ein willenloses Bündel von Lüsternheit und Unterwürfigkeit verwandeln könnte, möglichst zu verdrängen. Arme Juliette. Was mag sie derzeit durchmachen?

    Die nächsten Stunden vergehen ohne besondere Vorkommnisse. Ich schaue mir ein seichtes Unterhaltungsprogramm an, ein romantisches Drama, und überprüfe in regelmäßigen Abständen,
ob mich jemand verfolgt. Mir ist zwar niemand auf den Fersen, aber Übung macht den Meister. Irgendwann blicke ich auf und sehe durch das Fenster, wie neben mir nach und nach die Bahnsteige von Hellasport auftauchen. Endlich! Ich hieve meinen fast leeren Koffer auf den Bahnsteig und winke eine Fahrradrikscha heran, die ein vierarmiger grüner Riese in einem hitze- und feuerbeständigen Geschirr aus Aramidfasern bedient. Ich muss nicht lange warten. Der Koffer wackelt hin und her, während der Riese in die Pedalen tritt. Wir fahren die Hauptstraße entlang, biegen zweimal in Nebenstraßen ab und halten schließlich vor einer öden Gebäudefassade, die schon bessere Tage gesehen hat. Sind alle Hotels auf Mars so trist? Gibt es eine Ursache dafür, die mir eigentlich bekannt sein müsste? Ich feilsche kurz mit dem Fahrer herum, gebe ihm ein halbes Dutzend Centimes (so ein Halsabschneider!) und betrete die Luftschleuse.
    »Ich habe ein Zimmer auf den Namen Baldwin reserviert«, sage ich am Empfang. »Für F. Baldwin.«
    »Klar, wä haam was Schöönes fer Se«, erwidert der Empfangsautomat mit so gedehnter Stimme, dass ich ihn anstarre. Ist das Ding kaputt? Doch irgendwann spuckt es einen Schlüssel aus. »Geehn Se nach oom.«
    Leicht befremdet ziehe ich mich zurück – dieser Akzent ist wirklich bizarr – und mache mich auf den Weg zum Fahrstuhl, der mich sogleich verschluckt und sechs Stockwerke emporträgt, zu einem schmuddeligen Gang mit verblassten rosafarbenen Türen, in dem viel zu großer Druck herrscht. Nachdem ich die richtige Tür gefunden habe, berühre ich den gepolsterten Kreis – offenbar ist das der Öffner -, trete ins Zimmer und überlege lieber nicht, was der Architekt sich bei dieser Lösung gedacht haben mag.
    Der Raum selbst ist gar nicht so schlecht für ein zweitklassiges Liebesnest. Alles darin ist rosafarben und mit Plüsch und Kissen überladen, aber immerhin gibt es ein Fenster, ein wunderbares rundes Wasserbett ( Wasser! In einem Bett !), ein Bad mit Dusche und WC und eine Minibar, die mit einer appetitanregenden Batterie
aromatischer, mit Kohlenwasserstoff angereicherter Getränke gefüllt ist. Zwar ist es hier ein bisschen dunstig, und sie haben den Sauerstoff viel zu weit heruntergefahren (offenbar beziehen die meisten Gäste ihren Saft aus der Steckdose und benutzen ihre Brennstoffzellen nicht), aber damit komme ich klar.
    Nachdem ich mich ausgezogen habe, gehe ich unter die Dusche und rubbele mich mit einem flauschigen rosafarbenen Handtuch ab, das mir träge zublinzelt und summt, wenn ich darüber streiche. Danach leiste ich mir den Luxus, eine ganze Stunde vor einem hilfsbereiten verstellbaren Badezimmerspiegel sitzen zu bleiben, meine Lippen, Augenlider und das Hautgewebe zu optimieren und mein Haar zu frisieren.
    Ich bin gerade ins Schlafzimmer zurückgekehrt, stehe in meiner raffiniertesten Unterwäsche da und packe meine zweitschönste Kleidung aus, als die Tür sich öffnet. Es ist die Art von Kleidung, die man in der Hoffnung trägt, jemandem zu begegnen, der einem aus ihr heraushilft. (Du hast herzlich wenig Aussicht darauf, Monster, höre ich die Zwerge spotten.) Wieso ich mich ausgerechnet jetzt derart zurechtmache, will ich lieber nicht allzu gründlich untersuchen, sonst würde sich nur mein Gewissen melden.
    Fast hätte ich die Tür nicht aufgehen gehört – das nervtötende Ding bewegt sich nahezu lautlos -, doch eine leichte Veränderung im Luftdruck macht mich darauf aufmerksam. Ich wirbele herum und murmle leise oh Scheiße vor mich hin. Gleichzeitig versuche ich nach meiner Pistole zu greifen (sie befindet sich in meiner Handtasche unter der Jacke, die über dem Stuhl

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